Verkaufs-Ausstellung vom 6. Juli bis 31. August 2024 in der Galerie der Berliner Graphikpresse

Herzliche Einladung zur Eröffnung der diesjährigen Sommerausstellung in der Galerie der Berliner Graphikpresse unter dem Thema „Berlin im Blick – Künstler sehen ihre Stadt“ 

Vernissage am 6.7.2024 von 11 bis 14 Uhr bei Kunst & Sekt in der Galerie sowie Kaffee & Kuchen im Garten.

Übersicht der im Rahmen der Ausstellung zu erwerbenden Arbeiten von Gerenot Richter:

Katalog Galerie Berliner Graphikpresse Seite 31
Katalog Galerie Berliner Graphikpresse Seite 32
Katalog der Galerie Berliner Graphikpresse Seite 33
Katalog Galerie Berliner Graphikpresse Seite 34
Katalog Galerie Berliner Graphikpresse Seite 35
Katalog Galerie Berliner Graphikpresse Seite 36
Infos zu weiteren Künstlern, die in der Ausstellung zu sehen sind

Sabine Ulber
Galerie der Berliner Graphikpresse
Am Falkenberg 25
12524 Berlin
Fon (030) 420 124 40 / Fax: (030) 499 620 56

www.galerie-berliner-graphikpresse.de

Visualisierung des Ungesagten und oft Unsagbaren

Ausstellung vom 25.02.2024 bis 12.05.2024
im Schloss Biesdorf

Alt-Biesdorf 55
12683 Berlin
Fon: 030516567790
www.schlossbiesdorf.de

Vernissage am 25.02.2024 von 18 bis 21 Uhr

Mit Arbeiten von Lara Azul, GODSDOGS, Thomas Klingenstein, Cornelia Renz, Gerenot Richter und Saralisa Volm.

Die Ausstellung Traum[a]land lädt ein zu einer Reise in das Unterbewusste. Dem in der letzten Zeit oft inflationär gebrauchten Traumabegriff stellt wird eine poetische Visualisierung des Ungesagten und oft Unsagbaren gegenübergstellt.

Die Besucher:innen von Traum[a]land erwartet eine surreale Welt zwischen Traum und Trauma – eingefangen in einer multimediale Landschaft mit hängenden Skulpturen, hinterleuchteten Bannern, begehbaren Installationen, Videos, Malerei, Radierungen und Fotografien.

Traum[a]land wird kuratiert von Dr. des. Anne Simone Kiesiel und Lea Heine

Gerenot Richter | Ausstellungsraum im Schloss Biesdorf

Einladung zum Stöbern

Seit Ende 2023 können Druckgrafiken und Handzeichnungen von Gerenot Richter im Portal Grafikliebehaber erworben werden. Im Laufe des Jahres 2024 wird der Bestand in diesem Portal um zahlreiche Werke des Künstlers erweitert. Es lohnt sich, hier länger zu stöbern und öfter vorbei zu schauen.

Verantwortet wird das Portal von der Galerie Himmel aus Dresden.

Galerie Himmel
Obergraben 8
01097 Dresden

Telefon +49 (0)351 4843578
Fax +49 (0)351 4843859
email@galerie-himmel.de

Das Portal Grafikliebhaber erreichen Sie auch über die Website der Galerie Himmel. Um zu der Übersicht über Gerenot Richter zu gelangen, geben Sie bitte den Namen im obersten Feld der Suche ein und nicht unter Details.


Gerenot Richter im Otto-Dix-Haus in Gera

Lesen Sie hier einen Auszug aus der Ankündigung zur Ausstellung:

«Gerenot Richter war ein wahrer Meister des Tiefdrucks, mit Akribie lotete er die Wirkung der verschiedenen technischen Varianten – Radierung, Aquatinta, Kaltnadel, Flächen- und Strichätzung – aus. Die präzisen Linien und Flächen seiner Druckgrafiken lassen Strukturen von fast haptischer Textur erstehen, welche die überquellend-wuchernde Detailfreude des Künstlers bezeugen.

Seine Bildfindungen sind stets an der Natur orientiert und dem Gegenstand verhaftet. Gleichzeitig verwob er in ihnen häufig kunsthistorische Zitate von ihm verehrter Meister – neben Albrecht Dürer oder Pieter Breughel unter anderem auch von Otto Dix. Diese raffinierten Kompositionen mit ihren metaphorischen oder allegorischen Anspielungen erschaffen weitere Bildebenen, die es zu entdecken gilt. Richters Arbeiten kreisen um Werden und Vergehen, Endlichkeit und Zeitlosigkeit, die Gefährdung der Natur und die Verantwortung des Menschen. Dies kommt insbesondere in der Serie „Nach dem Sturm“ zum Ausdruck, die angesichts der bedrohlicher werdenden Klimakrise aktueller denn je wirkt.

Diese Ausstellung präsentiert neben einer Auswahl von Werken aus dem Bestand der Kunstsammlung Handzeichnungen und Druckgrafiken, die die Familie Richter der Kunstsammlung Gera 2023 großzügigerweise übereignete.«

Die Ausstellung kann vom 12.12.2023 bis zum 26.05.2024 besucht werden.

Kunstsammlung / Otto-Dix-Haus
Mohrenplatz 4
07548 Gera

Die Sammlung im Otto-Dix-Haus Gera

Das Otto-Dix-Haus in Gera

Kritik zur Ausstellung aus der Ostthüringer Zeitung Ausgabe Nr. 289


Wanderausstellung im Bürgerzentrum Herzberg

Am 6. Dezember 2023 um 10 Uhr öffnet die Wanderausstellung des Vereins Private Künstlernachlässe im Land Brandenburg e.V. im Bürgerzentrum Herzberg ihre Pforten. Sie ist bereits seit 2019 im Land Brandenburg unterwegs und wird bisweilen von Werken eines Künstlers der Region begleitet, dessen Verzeichnis sich bereits in der Online-Datenbank des Vereins befindet.

Im Jahr 2024 wird die Jahresausstellung im Potsdamer Landtag mit dem Titel: „(K)ein Kernbestandsdepot für Künstlernachlässe im Land Brandenburg“ gezeigt. Der Verein will damit deutlich machen, dass es ihm nicht allein um die Bewahrung der regionalen Kunst als digital verfügbare Datenbank geht. Mit einem Kernbestandsdepot sollen darüber hinaus die wichtigsten Werke von regionalen Künstlern für spätere Generationen bewahrt bleiben.

Ausstellungsort: Bürgerzentrum Herzberg, Uferstraße 6 in 04916 Herzberg (Elster)

Seit 2015 wurde vom Verein schon viel geleistet

Die Arbeit von Künstlernachlässe e.V. begann im Februar 2015. Inzwischen gehören zum Verein 57 aktive Mitglieder sowie ein Ehrenmitglied. In der Online-Datenbank des Vereins befinden sich laut Angaben auf der Website inzwischen 32 Nachlass- und Werkverzeichnisse von 29 Künstlern.

Dieses Ergebnis ist vor allem den beiden Fachberatern des Vereins, Dr. Liane Burkhardt und Thomas Kumlehn, zu verdanken. Einen wichtigen Beitrag leisten zudem die Jahres-Förderung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg (MWFK) – seit 2016 bewilligt – und private Spender.

Zum Erhalt und zur Pflege des künstlerischen Nachlasses von Gerenot Richter hat sich die Familie des Künstlers entschlossen, 2023 dem Verein beizutreten. Im kommenden Jahr wird sie ein „Nachlassverzeichnis Druckgrafik und Handzeichnungen“ zu Gerenot Richter erstellen und in die Datenbank des Vereins eintragen.


Verein Private Künstlernachlässe im Land Brandenburg e.V.
Charlottenstr. 121 | D - 14467 Potsdam
Mitglied im Bundesverband Künstlernachlässe e.V. sowie Mitglied im Museumsverband Land Brandenburg


Am Sonntag, den 12. November 2023 von 11 bis 17 Uhr mit Bildender Kunst aus der DDR und Ostdeutschland

Veranstaltungsort:
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Jägerstr. 22/23, 10117 Berlin (am Gendarmenmarkt)

Vorbesichtigung:
24.10. bis 10.11.2023 in der Galerie der Berliner Graphikpresse, Am Falkenberg 25, 12524 Berlin
Öffnungszeiten:
Dienstag: 14:00 – 18:00 Uhr
Mittwoch: 13:00 – 18:30 Uhr
Donnerstag: 13:00 – 18:30 Uhr
Freitag: 14:00 – 20:00 Uhr
Samstag, 28.10.2023: 13:00 – 18:30 Uhr
Sonntag, 29.10.2023: 10:00 – 15:00 Uhr

Informationen für Bieter finden Sie hier.

Folgende Werke von Gerenot Richter können von der Berliner Graphikpresse erworben werden:

Burgk IV (Wehrgang)
Gleichnis II (Die Blinden)
Die neue Friedrichsbrücke (II)
Parkmauer
Torsi im Stadtpark
Torso (Buhnen), Auswahl aus insgesamt 12 Torsi im Zusammendruck

Nummer im Online-Katalog: 392 (verkauft)
Burgk IV (Wehrgang)
Radierung, Aquatinta, 1982, 202 x 286, sign., dat., bez. (H.c.), betitelt.
WV E. Richter II-166.
(7032) 150,00 €

Nummer im Online-Katalog: 393 (verkauft)
Zwölf Torsi
Zusammendruck von zwölf Radierplatten, 1982 / 1983, 240 x 155 (gesamte Darstellung), sign., dat. (82/83), num. (III/V), betitelt. Unter Passepartout montiert.
WV E. Richter II-172-176 und II 179-185.
Aufwendiger Druck in sehr gutem Zustand.
(5511) 140,00 €

Nummer im Online-Katalog: 394 (verkauft)
Gleichnis II (Die Blinden)
Radierung in Braunschwarz, Aquatinta auf Hahnemühle-Bütten, 1985, 483 x 632, sign., dat., num. (1/10), betitelt.
WV E. Richter II-222.
Erster Zustand dieser opulenten Radierung mit größerer Frauengruppe (im Vergleich zur späteren Fassung) hervorragend erhalten.
(7032) 500,00 €

Nummer im Online-Katalog: 395 (verkauft)
Die neue Friedrichsbrücke (II)
Radierung, Aquatinta, 1987, 210 x 241 (Papierformat: 500 x 378), sign., dat., num. (1/20), verso: Nachlassstempel.
WV E. Richter II-261.
(7032) 210,00 €

Nummer im Online-Katalog: 396 (verkauft)
Parkmauer
Kaltnadel, 1988, 140 x 210 (Papierformat: 495 x 380), sign., dat., num. (III/V), betitelt, verso: Nachlassstempel.
WV E. Richter II-294.
(7032) 110,00 €

Nummer im Online-Katalog: 396 (aktuell noch im Nachverkauf erhältlich)
Torsi im Stadtpark
Kaltnadel, 1988, 150 x 205 (Papierformat: 503 x 378), sign., dat., num. (IV/VI), betitelt, verso: Nachlassstempel.
WV E. Richter II-289.
(7032) 80,00 €

Anlässlich der Versteigerung ist ein Online Katalog erschienen.

Hinweis: Die Künstlersuche in der Datei funktioniert nur, wenn man den Nachnamen zuerst angibt. 

Kontakt:

Sabine Ulber
Galerie der Berliner Graphikpresse
Am Falkenberg 25
12524 Berlin

Fon: 030 420 124 40
Fax: 030 499 620 56

Im Juli 2023 konnte mit der Kunstsammlung Gera eine Schenkungsvereinbarung über 24 Werke von Gerenot Richter geschlossen werden. Mit der Schenkung wird der Bestand von bisher 10 Arbeiten – sechs Handzeichnungen und vier Radierungen – die die Stadt Gera in den 1980er Jahren vom Künstler erworben hatte, großzügig ergänzt.

Neben der vollständigen „Sturmreihe“ (I bis VI) übergab die Familie des Künstlers z.B. „Gleichnis I“, „Ausgedient I und II“, „Sommer mit M.S.“, „Heller Morgen“, „Spanien 75“, „Winter in Thüringen“ und „Alte Zähne im Tagebau“ in den Bestand der Kunstsammlung.

Zusätzlich zu den Radierungen ist die Kunstsammlung Gera nun im Besitz der Druckplatte zu „Ausgedient II“. Zur Schenkung gehören außerdem die Handzeichnungen „Förderbrücke“ und „Bauminsel“.

Aktuell ist im Otto-Dix-Haus in Gera eine Austellung mit Werken von Gerenot Richter in Vorbereitung. Die Eröffnung ist für den 12. Dezember 2023 geplant.

Titelbild: WV II-053 Spanien '75, 1976


Grafische Mappenwerke aus der DDR

Eine Ausstellung an drei Orten

Revolutionen! Museum Utopie und Alltag Eisenhüttenstadt,
03.06.2023 - 08.10.2023
Prometheus und Co. BLMK Cottbus, 04.06. - 20.08.2023
Zwischen Arkadien und Wohngebiet BLMK Frankfurt (Oder), 04.06. - 20.08.2023

Das Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst und das Kunstarchiv Beeskow stellen im BLMK Cottbus, im Museum Utopie und Alltag Eisenhüttenstadt und im BLMK Frankfurt (Oder) grafische Mappen aus der DDR vor. Als Ausgangsbasis dienen die Bestände von über 320 Mappen des BLMK bzw. des Kunstarchivs Beeskow. In Cottbus widmet man sich der Literatur und in Eisenhüttenstadt geht es um Revolutionen. Der Beitrag in Frankfurt (Oder) erkundet die Vielgestaltigkeit der Landschaftsansichten.

Auch in der Kunst existiert die Vorstellung von der Landschaft als ein kulturelles und sozial-historisch geschaffenes Konstrukt. Sei es die Meeresansicht oder der Blick auf eine Stadt, immer schwingen die Projektionen seitens der Künstler und Künstlerinnen – indirekt sind es die bestimmter Gesellschaftsschichten – mit. Symbolisches und Metaphorisches können erscheinen und die unterschiedlichen Landschaftsinterpretationen betonen die subjektive Sicht auf das Außen.

In den 22 Mappen finden wir die traditionellen Landschaftskategorien wie etwa Stadt-, Gebirgs- und Dorflandschaft, See- und Waldstück, die Industrieansicht, Sehnsuchts-Denk- und Seelenlandschaft wieder. Sie zeigen sich, je nach Eigenarten der etwa 60 Künstlerinnen bzw. Künstler und ihren circa 180 Arbeiten, stilistisch höchst differenziert und eindringlich: Realistisches, Idealistisches, Expressives, Introspektives, Figuratives, Surreales, Abstraktes, Impressives, Zeichenhaftes und Skripturales prägen u. a. die künstlerischen Handschriften.

Die verwendeten druckgrafischen Techniken sind in den Spektren des Hochdruckes (u. a. Holzschnitt, Linolschnitt), des Tiefdruckes (u. a. Radierung, Kupferstich) und des Flachdruckes (z. B. Lithografie) zu verorten. Der Siebdruck (Durchdruck) sowie die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten des Offsetdruckes kommen ebenso vor.

Manchmal sind die Mappen oder Schuber typografisch und buchbinderisch aufwändig bis luxuriös gestaltet – gleichwohl sind einige äußerst schlicht gearbeitet – historisch geschaffenes Konstrukt.

Alle vorgestellten Werke entstanden im Zeitraum von 1947 bis 1991 / 1992. Sie können „nur“ von einem Künstler stammen oder von mehreren, die sich je einem Thema oder einer topografischen Situation zuwenden. Eine sich daraus ergebende Motivvielfalt ist ebenso zu beobachten wie ein breit gefächertes Themenangebot. Spannungsbögen zwischen Krieg und Frieden, Apokalypse und Paradies, Fern- und Heimweh, Ideal und konkrete Örtlichkeit sind zu erahnen.

Die Ausstellung ist in folgende Kapitel unterteilt: „Prolog“, „Profanes“ und „Pathos“, „Sehnsuchtslandschaften?“, „Wohngebiet“, „Denk und Seelenlandschaften“, „Arkadien?“ und „Epilog“.

Der Berliner Gerenot Richter (mit zwei anderen Künstlern vertreten im Kapitel „Epilog“, Anmerkung der Redaktion) nähert sich der Landschaft mit dem Blick des altmeisterlich arbeitenden Grafikers. Er entdeckt vor allem mittels der Radierung mehr als nur die Augenblicklichkeit in der Natur. Richter vernimmt etwas Gleichnishaftes und Geheimnisvolles, etwas was uns mit vorangegangen Zeitläufen und Kunstwerken in Verbindung bringt. In den Radierungen „Alles verfault, was ohne Wurzeln ist“ gab ihm die Lyrik des russischen Dichters Jewgeni Jewtuschenko Anregungen.

Text: Armin Hauer, Kustos Sammlung Druckgrafik, Skulptur,
Stellvertretender Direktor Frankfurt (Oder), Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst (BLMK)

Die in der Ausstellung gezeigten Grafiken von Gerenot Richter entstammen einer Schenkung der Witwe des Künstlers aus dem Jahr 2022.

Zwischen Arkadien und Wohngebiet
BLMK Rathaushalle 
Marktplatz 1, 15230 Frankfurt (Oder)

Ausstellung
vom 04.06. bis 20.08.2023

Grafische Mappenwerke  aus der DDR – Zwischen Arkadien und Wohngebiet

Eine Ausstellung mit Werken von Gerhard Altenbourg, Sigrid Artes, Wolfgang E. Biedermann, Manfred Butzmann, Carlfriedrich Claus, Klaus Drechsler, Andreas Dress, Wieland Förster, Erich Franke, Dietrich Fröhner, Roland Ginsky. Dieter Goltzsche, Willi Günther, Klaus Hardert, Martin Hoffmann, Joseph W. Huber, Günther Huniat, Gerhard Klampäckel, Gregor-Torsten Kozik, Sabine Kutsche, Walter Lauche, Wolfgang Leber, Rolf Lindemann, Klaus Magnus, Otto Möhwald, Michael Morgner, Rolf Münzner, Klaus Neubauer, Wolfgang Pertrovsky, Uwe Pfeifer, Mario Prokop, Nuria Quevedo, Thomas Ranft, Dagmar Ranft-Schinke, Gerenot Richter, Wilhelm Rudolph, Peter Schnürpel, Gerhard Schwarz, Elfriede Seibt, Lothar Sell, Gerald Sippel, Erika Stürmer-Alex, Peter Sylvester, Aini Teufel, Max Uhlig, Frank Voigt, Christine Wahl, Matthias Wegehaupt, Claus Weidensdorfer, Berndt Wilde, Reinhard Zabka, Baldwin Zettl u. a.

Einladung zur Ausstellungseröffnung

20. Mai 2023 um 15 Uhr | Galerie im Neuen Rathaus

Templin bzw. der Altkreis Templin war schon in der Vergangenheit ein beliebtes Domizil für Künstlerinnen und Künstler. Auch heute siedeln sich kreative Menschen mit Vorliebe hier an, um in Ruhe zu arbeiten, sich auszuprobieren und in Kontakt zu kommen.

Der Kulturbund Brandenburg und der Kunstverein Templin wollen Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern, die einen besonderen Bezug zur Region haben, einem interessierten Publikum zugänglich machen sowie diese der Forschung zur Verfügung stellen und für zukünftige Generationen sichern.

Künstlerinnen und Künstler aus der Region haben den Kunstverein Templin 1993 gegründet. Heute zählt der Verein 155 Mitglieder. Zu seinen Arbeitsbereichen gehören eine Galerie, ein Archiv, eine Kunstschule, ein Kunstferienlager und das Kulturium.

Im Archiv des Kunstvereins befindet sich die Templiner Sammlung des ehemaligen Kulturbundes der DDR, der nach der Wende in 1990 in den Verein Kulturbund e.V. umgewandelt wurde. Darüber hinaus hat der Templiner Verein in den drei Jahrzehnten seines Bestehens eine eigene Sammlung zusammengetragen.

Mehr Infos unter: https://kunstverein-templin.de

Die Ausstellung des Kunstvereins Templin und der eigens zu diesem Anlass entstandene Katalog präsentieren eine Auswahl von Arbeiten aus dem Archiv. Zu den Künstlern, die in der Ausstellung zu sehen sein werden, zählt auch der Zeichner und Grafiker Gerenot Richter.

Galerie im Neuen Rathaus
Prenzlauer Allee 7
17268 Templin

Vernissage am 20. Mai 2023 um 15 Uhr
Begrüßung: Detlef Tabbert, Bürgermeister
Grußwort: Hinrich Enderlein, Vorsitzender Kulturbund Brandenburg
Musik: Detlef Klausch, Harfe

Öffnungszeiten der Ausstellung:
Mo: 8:00 – 16:30 Uhr
Di: 8:00 – 17:45 Uhr
Mi: 8:00 – 16:30 Uhr
Do: 8:00 – 16:30 Uhr
Fr: 8:00 – 12:00 Uhr

(weitere Öffnungszeiten nach telefonischer Absprache möglich)



Veränderungen bei Verwaltung des Nachlasses

Fast 30 Jahre lang hat sich Ingeborg Richter (*1929), die Witwe des Berliner Grafikers und Hochschullehrers Gerenot Richter, mit großem Engagement der Pflege und Verbreitung des Werks ihres Mannes gewidmet.

Dabei standen ihr die Kunsthistoriker Dr. habil. Gisold Lammel (1942–2001), Prof. Dr. Peter H. Feist (1928–2015) und Volkhard Böhm (1951–2021) sowie der Grafiker Helmut Müller – für Ausstellungen und mit Publikationen – zur Seite.

Ingeborg Richter übertrug ihr Anliegen, das Werk Gerenot Richters einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, inzwischen auf Ekkehard Richter. 2019 hat sie ihm die Verwaltung des Nachlasses komplett übergeben. Er ist jetzt in allen Fragen zum Werk von Gerenot Richter der erste Ansprechpartner.

Neuigkeiten zur Gerenot Richter Webseite

Seit 2014 sind Werke aus dem grafischen Nachlass von Gerenot Richter auf einer Website zu finden. Das hat seine gesamtdeutsche Bekanntheit gefördert, Freunde und Weggefährten an ihn erinnert und immer wieder neu zusammengeführt.

In Vorbereitung auf die sechsteilige Ausstellung zum 90. Geburtstag des Künstlers entstand 2016 außerdem ein Katalog, in dem erstmals bis auf wenige Ausnahmen alle im Werkverzeichnis gelisteten Werke abgebildet werden konnten.

Ergänzend zu den in das Werkverzeichnis aufgenommenen Tiefdrucken, Flachdrucken und Handzeichnungen wollen wir hier zukünftig auch weniger Bekanntes zeigen. Es gibt eine Reihe farbiger Arbeiten, die Aufmerksamkeit verdienen. Gerenot Richter hat seine künstlerische Laufbahn als Maler und Grafiker begonnen.

Vielleicht gelingt es uns in den nächsten Jahren sogar einige Originale von Gerenot Richter wieder aufzuspüren – insbesondere Handzeichnungen sind in den Wirren der 90er Jahre verloren gegangen.

Darüber hinaus wollen wir Sammelnde inspirieren, ihren Bestand mit Werken von Gerenot Richter zu ergänzen und zu erweitern. Informationen zur Verfügbarkeit wird diese Website künftig bereithalten.

Unabhängig davon können Sie uns gern auch ganz persönlich kontaktieren.

Wir freuen uns auf Ihr Interesse!


Nachdrucke zur Werkschau

Die Gerenot Richter-Werkschau zum 90. Geburtstag des Künstlers im Jahr 2016 umfasste insgesamt sechs Ausstellungen. Bei den Eröffnungen in Berlin, Gransee-Dannenwalde, Fürstenwalde und Templin wurden verschiedene Kleingrafiken angeboten. Der Berliner Grafiker Helmut Müller, ein Weggefährte von Gerenot Richter, hat sie von den originalen Druckplatten aus dem Nachlass des Künstlers gedruckt.

Von den Nachdrucken zu den Ausstellungen und von der Vorzugsgrafik zum Katalog sind jeweils noch einige Exemplare vorhanden.

Bei Interesse schreiben Sie bitte unter dem Bereich Kontakt eine Mail unter Angabe von WV-Nr. und Titel der gewünschten Drucke. Desweiteren können Sie auch noch Exemplare vom Katalog erwerben.

Werkschau,
Vorzugsgrafik zum Katalog

WV II-110 Friedhofslinde auf Rügen, 1979,
Radierung, 6 x 7,5 cm

Werkschau, Kapitel 6: 
Berlin, Grafik Studio Galerie

Diese drei Grafiken wurden zum Verkauf angeboten:

WV II-104 Die Säule, 1979, Radierung und Aquatinta, 5 x 5,5 cm
WV II-211 Friedliche Kanone I, 1985, Radierung, 4 x 5 cm
WV II-212 Friedliche Kanone II, 1985, Radierung, 4 x 5 cm

Werkschau, Kapitel 5:
Templin, Galerie im Neuen Rathaus

Diese beiden Grafiken wurden zum Verkauf angeboten:

WV II-001 Köpfe, 1965, Radierung, 5 x 5 cm
Gerenot Richter, WV II-109 Finken / Röbel, 1979, Radierung, 7,5 x 5,5 cm

Werkschau, Kapitel 4:
Berlin, Galerie 100

Diese vier Grafiken wurden zum Verkauf angeboten:

WV II-163 Turm, 1982,
Flächen- und Strichätzung, 4,5 x 6 cm
WV II-175 Torso IV
(Strandgut), 1982,
Radierung, 4,5 x 3,5 cm
WV II-181 Torso VIII (Strandgut), 1983,
Radierung, 4,5 x 3,5 cm
WV II-183 Torso X
(Strandgut), 1983,
Radierung, 4,5 x 3,5 cm

Werkschau, Kapitel 3:
Berlin, Humboldt-Universität

Diese fünf Grafiken wurden zum Verkauf angeboten:

WV II-003 Friedrichshain, 1965,
Radierung, 10,5 x 14,5 cm
WV II-004 S-Bahnhof, 1965,
Radierung und Aquatinta, 10,5 x 14,5 cm
WV II-021 Spreebrücke mit Dampframme, 1968,
Radierung, 4,4 x 9,5 cm
WV II-090 Domengel, 1978,
Radierung und Aquatinta, 10,5 x 14 cm
WV II-161 Zerstörte Dächer, 1982,
Radierung, 4,5 x 3,5 cm

Werkschau, Kapitel 2:
Fürstenwalde, Domgalerie

Diese vier Grafiken wurden zum Verkauf angeboten:

WV II-080 Eva und Adam, 1978,
Radierung, 6 x 4 cm
WV II-111 Drei Elemente, 1979,
Radierung, 5,5 x 7 cm
WV II-200 Harmonie, 1984,
Radierung, 4 x 5 cm
II-284 A. Altdorfer zum 450. Todestag, 1988, Radierung, 5 x 4 cm

Werkschau, Kapitel 1:
Dannenwalde, Kirche am Weg | Rad-Wander-Kirche

Diese drei Grafiken wurden zum Verkauf angeboten:

WV II-120 Vernarbt - Verletzte Bäume VI, 1980,
Radierung, 5,5 x 4 cm
WV II-173 Torso II (Stubben), 1982,
Radierung, 4,5 x 3,5 cm
WV II-203 Felsen (Vier Riesen), 1984,
Radierung und Aquatinta, 5 x 4 cm

Neue Werke von Gerenot Richter im Bestand

Seit 2022 befinden sich insgesamt 27 weitere Arbeiten aus dem grafischen Œuvre von Gerenot Richter im Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst. Die Werke wurden dem Museum auf der Basis einer Schenkungsvereinbarung übergeben. „Das Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst hat sich dazu verpflichtet, die ihm übereigneten Werke konservatorisch zu sichern und als museales Gut zu schützen. Die Schenkung kann weder als Konvolut, noch in Einzelteilen veräußert werden.“ (Auszug aus der Schenkungsvereinbarung mit der Familie des Künstlers)

Zu den an die Sammlung übergebenen Werken von Gerenot Richter gehören die Folgen „Nach dem Sturm“, „Gleichnisse“, „Alles verfault, was ohne Wurzeln ist. Jewtuschenko“ und „Berliner Mahnmale“.

Das Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst (BLMK) beherbergt die weltweit umfassendste, museale Sammlung von Kunst aus der DDR und den nachfolgenden künstlerischen Traditionslinien. Zum Bestand gehören über 42.000 Werke.

„Das BLMK ist 2017 aus der Fusion des dkw. Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus und des Museum Junge Kunst Frankfurt (Oder) hervorgegangen. An den zwei Standorten mit insgesamt drei Ausstellungshäusern werden gleichzeitig mehrere Präsentationen gezeigt. Das Ausstellungsprogramm ist eng an die Sammlung geknüpft – Kunst aus der DDR sowie daraus abgeleitete, ostdeutsche Traditionslinien werden dabei auf Augenhöhe mit national relevanten und international gesetzten, künstlerischen Positionen gezeigt. Hinzu kommt ein umfangreiches Rahmenprogramm aus Veranstaltungen und museumspädagogischen Aktivitäten.

Die Ausstellungsprogramme der beiden Standorte sind nicht identisch angelegt, folgen jedoch derselben Logik. Aus dem Verständnis der Sammlungsbestände als Ressource zielen die Aktivitäten des BLMK auf kunsthistorische Kontextualisierung, kritische Auseinandersetzungen mit der eigenen Genese sowie deren Inhalten ab.“ Auszug aus der Website des BLMK. Weitere Infos


Die Zukunft hat schon begonnen

Vom Leben in Industrielandschaften – Strukturen im Wandel.
Werke aus der Sammlung des Brandenburgischen Landesmuseums für moderne Kunst (BLMK)

„Seit dem 19. Jahrhundert lebten die Bewohnerinnen und Bewohner der Lausitz mit und von der Braunkohle. Arbeit, das heißt hier und in vergleichbaren Gegenden Europas: Kohle fördern, Kohle verarbeiten, Kohle nutzen und als Kohlearbeiter gebraucht werden.“

Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Präsidentin des Landtages Brandenburg

Vom Braunkohleabbau, seinen positiven und negativen Folgen für die Bewohner der Lausitz, zeichnen die Künstler in und aus der Region ein eindrucksvolles Bild. Das Landesmuseums für moderne Kunst zeigt in der Ausstellung Werke zum Thema aus seiner Sammlung, darunter Malerei, Grafik und Fotografie.

Gerenot Richter, der in den Fördergebieten in der Lausitz viele Handzeichnungen angefertigt und dann später in Berlin mit der Radiernadel grafisch umgesetzt hat, ist in der Ausstellung vertreten.

Wie kam es dazu, dass er dem Braunkohleabbau in seinen Arbeiten so viel Raum schenkte? Zunächst waren es ja nur von ihm begleitete studentische Arbeitseinsätze – sie führten ihnen schon seit etwa 1960 in die Lausitz. Er kam intensiv mit der dortigen Landschaft und dem Tagebaugeschehen in Berührung. Künstler, Studenten und Kohlekumple nahmen einander wahr. Man akzeptierte sich, zeigte Interesse aneinander.

„Es entwickelte sich eine Patenschaftsbeziehung zwischen dem BKK „Glück auf“ in Knappenrode und dem Institut an der Humboldt-Universität Berlin. Die nun jährlich stattfindenden Plainairs in der Lausitz wurden zum festen Bestandteil des Kunsterzieherstudiums … Durch diese Praktika erreichte Richter eine besondere Vertrautheit mit der Landschaft… Vieles war Wiederbegegnung mit Vertrautem und ermöglichte ihm, die in der Zwischenzeit erfolgten Veränderungen der Landschaft wahrzunehmen. Durch den Braunkohleabbau war diese ständigen Bewegungen unterworfen. Straßen veränderten ihren Verlauf, Dörfer wurden weggebaggert, aber auch Neues entstand. Das „Werden und Vergehen“ – sein großes Thema – wurde ihm hier sozusagen real vorgeführt.“

Helmut Müller in seiner Laudatio zur Eröffnung einer Gerenot Richter Ausstellung in der „Galerie Helle Panke“, Berlin 2011

Die Ausstellung im Landtag Brandenburg widmet sich Fragen, die im Spannungsfeld des Wandels von (ökonomisierten) Landschaften und Arbeit als identitätsstiftende Faktoren entstehen. Parallel zur Ausstellung, die am 19. Januar 2022 eröffnet wurde, ist ein umfangreicher Katalog erschienen.

Abbildung: Gerenot Richter: WV II-072 Fossile Braunkohle, 1977


Ausstellung „Kunst und Kohle“ in Knappenrode

Kahle Wände, löchrige Fliesen, dicke Rohre und Eisentreppen. Der Eingang zum Turbinensaal ist düster und leer. Doch hinten lockt ein Licht. Und wer sich dorthin begibt, wird eine schöne Überraschung erleben. Gleich um die Ecke stehen nicht nur mächtige Turbinen. Zwischen ihnen hängt ein überlebensgroßes, gemaltes Bild von einem Arbeiter. Ein Foto von einem anderen Mann mit kohlegeschwärztem Gesicht füllt ein Fenster aus. Und eine Frau mit Helm und Latzhose ist auch in einem Fenster zu sehen.

Die Brikettfabrik in Knappenrode bei Hoyerswerda macht wieder von sich reden. Vor 100 Jahren hat sie ihre Produktion aufgenommen, 1993 wurde sie stillgelegt. Nun zeigt sie Menschen, die im Bergbau gearbeitet haben, und erzählt Geschichten. „Kunst und Kohle“ heißt die Ausstellung über die Arbeit und den Bergbau in der DDR-Kunst. Mehr als 130 Werke von über 50 Künstlern werden gezeigt. Die gehen eine faszinierende Verbindung mit der alten Technik in dem hohen Backsteinbau ein.

An einem Schaltschrank vorbei führt eine Steintreppe in einen klassischen Ausstellungsraum mit weißen Wänden. Porträts werden gezeigt, aber nicht das typische Propagandabild von einem Arbeiter mit erhobener Faust, sondern Menschen, die stolz sind auf ihre Arbeit, auch kritisch, müde, mit leerem Blick nach der Schicht.

Genauso sind Frauen als Bandwärterin und Fördermaschinistin zu sehen. Die sind bei den Berufen zwar gleichberechtigt, haben aber offenbar wenig Zeit für ihre Kinder. Berührend ist „Eine alltägliche Geschichte“, die Christoph Wetzel 1988 gemalt hat.

Die Arbeiterin wendet sich ihren beiden Mädchen zu, kämmt einem die Haare, aber beide haben einen ernsten Blick, der nicht auf eine glückliche Kindheit schließen lässt. Dass die Gleichberechtigung nicht immer gut funktioniert hat, zeigt ein Foto von Jürgen Matschie aus Bautzen. Der hat 1985 zwei Frauen mit Helm in einem Pausenraum festgehalten. Zumindest bei der Gestaltung hatten die Männer das Sagen. Davon zeugen die Bilder an der Wand: haufenweise nackte Frauen. Dem Verschwinden von Dörfern widmet sich Michael Kruscha aus Hoyerswerda, der jetzt in Berlin lebt. Auf einer Malerei von Gerenot Richter ist die Brikettfabrik Knappenrode zu sehen, auf einer Grafik von Fritz Tröger die Brikettfabrik in Laubusch.

Ein Propagandafoto taucht dann doch noch auf, eins zum Schmunzeln. Thomas Billhardt hat 1979 eine Brigade bei der „Zeitungsschau“ festgehalten. Ein paar Männer mit Helm halten die Blätter, andere stehen drumherum. An der Wand hängt ein Bild von Erich Honecker, daneben der Slogan „Qualität + Effektivität = Kurs DDR 30“. Ein anderes Foto von ihm von einer Brigade in Bitterfeld wirkt da schon natürlicher. Ironisch dürfte der Titel „Ehrlich arbeiten“ auf einer Malerei von Carl Kuhn gemeint sein. Eine Gruppe von Männern steht auf einer Baustelle zusammen und diskutiert. Einer zündet sich eine Zigarette an. Ein anderer hat die Hand in der Hosentasche. Der einzig scheinbar arbeitende Mann an der Seite steigt gerade aus seinem Baufahrzeug.

Text: Silvia Stengel

in: Sächsische Zeitung, 29.05.2018 (Online-Ausgabe)


Energiefabrik Knappenrode | Sächsisches Industriemuseum
Ernst-Thälmann-Straße 8, 02977 Hoyerswerda
www.energiefabrik-knappenrode.de

Die Ausstellung „Kunst und Kohle“ widmet sich nicht nur der Lausitz, sondern auch anderen Bergbauregionen. Es ist eine spannende Schau, in der alles gut vertreten ist, Abstraktes genauso wie Realistisches, Landschaftsbilder und Porträts, Stillleben und ein Film. Vier Kurzfilme kommen noch dazu. Die sollen zusätzlich im Turbinensaal gezeigt werden. Die Ausstellung gestaltete Paul Kaiser, Direktor des Dresdner Instituts für Kulturstudien. Die Werke stammen aus Museen wie dem Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst in Cottbus, Sammlungen oder Depots wie dem Kunstarchiv Beeskow. Museumsleiterin Kirstin Zinke freut sich über die Resonanz. Zurzeit finden zwar nicht viele in die Energiefabrik, weil Umleitungen den Weg dorthin erschweren. Aber wer kommt, ist oft sehr angetan.

Bis zum Herbst 2018 ist noch Gelegenheit, dann macht die Energiefabrik erst einmal dicht. Der Kreis Bautzen und die Stadt Hoyerswerda erschließen den Standort neu, so drückt es die Leiterin aus. „Siedlung und Werk rücken wieder zusammen.“ Durch die Stilllegung 1993 haben sie sich voneinander entfernt. Der Zaun rund um die Energiefabrik verschwindet. Für die freien Flächen zwischen Siedlung und Werk gebe es schon Anfragen von jungen Familien, die genau dort bauen wollen, sagt Kirstin Zinke.

Für das Museum entstehen eine neue Dauerausstellung und ein neuer Eingangsbereich. Und es wird ein Zentraldepot eingerichtet. Das Museum hat eine „schöne Sammlung“, schwärmt die Leiterin, vom historischen Schaufelradbagger bis zum Bergmann aus Meissner Porzellan. Außerdem werden die Werkstätten erneuert, die bräuchten sie, um ihre Maschinen und Anlagen zu pflegen. „Wir haben auch Hublader und müssen Lasten bewegen“, sagt Kirstin Zinke. Und sie wollen in den Außenanlagen zeigen, wie die Kohle aus dem Tagebau in die Fabrik gekommen ist, technische Geräte zusammenfassen und neu ordnen, sagt die Leiterin. So könnten die Besucher künftig wie auf einer Promenade den Weg der Kohle nachvollziehen. Dafür gibt es Fördermittel.

2020 will die Energiefabrik wieder öffnen, dann soll zumindest der Museumsbereich konzentriert und barrierefrei sein. Bis dahin zieht auch die Verwaltung um. Im freiwerdenden Gebäude könnten Übernachtungsplätze für Radfahrer entstehen. Es gibt auch immer Touristen, die im Lausitzer Seenland unterwegs sind und nach Stellplätzen für ihre Wohnmobile fragen, berichtet die Leiterin. Noch ist vieles offen und es wird auch mit den Einwohnern von Knappenrode diskutiert.

Kapitel 6 der Gerenot Richter-Werkschau


Aus der Laudatio von Ekkehard Richter zur Ausstellungseröffnung
am 31. März 2017 | Grafik Studio Galerie Berlin

Nach schon fünf vorangegangenen Kapiteln der Gerenot Richter Werkschau eröffnen wir heute mit „Friedliche Landschaften – Die Miniaturen“ das 6. und letzte Kapitel. Schön, dass Sie gekommen sind.

Der Grafik Studio Galerie Berlin, namentlich Lars und Ingolf Neumann und natürlich auch dem Kurator dieser Ausstellung, Helmut Müller, ist sehr zu danken, dass hier erstmalig die Möglichkeit geboten wird, allen Miniaturen von Gerenot Richter in einer Zusammenschau zu begegnen – einschließlich Zustandsdrucken und einigen nicht ins Werkverzeichnis aufgenommen Blättern.

Und noch jemand muss an dieser Stelle unbedingt genannt werden – Ingeborg Richter. Nicht nur diese Ausstellung, auch die gesamte Werkschau sowie die 15 früheren Retrospektiven seit 1991 wären undenkbar, ohne ihre in Liebe an das Werk ihres Mannes hingegebene Arbeit. Aus dieser Perspektive kann mann erahnen, welche Bedeutung ihre Begleitung und Unterstützung auch schon vor seinem Tod für das künstlerische Werk Gerenot Richters gehabt haben muss – und natürlich nicht nur für sein Werk.

„Friedliche Landschaften“ – Die Miniaturen

Den Miniaturen kann man etwa 110 der fast 400 dokumentierten druckgrafischen Arbeiten von Gerenot Richter zuordnen. Allein anhand der Zahl wird deutlich, welch gewichtigen Platz sie in seinem Werk einnehmen. Manche entstanden gewissermaßen als „Erholungsstücke“ neben oder zwischen den großformatigen, zeitaufwändigen Ätzradierungen. Zum Teil sind sie Vorstufe, Ergänzung oder Nachklang zu den großen Blättern und mit diesen in Sujet und Gestaltung vielfältig verbunden. Die Kleinste, eine Radierung aus dem Jahr 1982, misst nur 2 x 2 cm. Sie trägt denTitel „Baumdebatte“ und war gewiß als Kuriosum gedacht. Zur Betrachtung empfiehlt sich unbedingt die ausgelegte Lupe.

Das Gros der Miniaturen bewegt sich im Bereich von 5 x 4 cm. Jedoch auch hier ist man gut beraten, sich mit Muße in diese Bilder zu vertiefen, denn was sie an eingewebten Gedanken dem flüchtigen Blick verwehren, geben sie einer meditativen Annäherung bereitwillig preis. Bei etwa 70 Blättern handelt es sich um Landschafts- und Stadtminiaturen. Mehr als 40 von ihnen hat Gerenot Richter bereits bei ihrer Entstehung als Folgen konzipiert oder später zu solchen zusammengefasst. Daneben gibt es noch eine fünfzehnblättrige Blumenfolge sowie etwa 25 weitere singuläre Blätter.

„Verletzte Bäume I - VI“ und „Friedliche Landschaften“

Die Folge „Verletzte Bäume I - VI“ (1979/80) gehört zum Themenkreis von Kapitel I der Werkschau, mit der großformatigen Folge „Nach dem Sturm“ als Namensgeber und Kristallisationspunkt. Die Miniaturenfolge bereitet schon vor, was dann mit der „Sturm“-Folge dramatische Steigerung und glänzenden Höhepunkt erfährt. Das Thema „Verletzte Bäume“ wird zwei Jahre später mit der Folge „Torsi I - XII (1982/83) wiederholt und erweitert. Zudem lassen sich die „Torsi“ als teils elegische, teils tröstliche Reprise zur „Sturm“-Folge verstehen.

Die „Verletzten Bäume“ wie auch die „Torsi“ stellt Gerenot Richter als Einzelwesen dar. Er gräbt Geschichte in sie ein und präsentiert sie in unterschiedlichen Lebenszusammenhängen. So können sie als Chiffren für individuelles Leben und Sterben begriffen werden. Zeitlich zwischen den schon genannten Folgen steht die für unsere Ausstellung titelgebende Folge: „Friedliche Landschaften I - VI“ (1980). Man kann sie als eine Art Gegenstück zu diesen verstehen. Darauf deuten auch die verwendeten gestalterischen Mittel hin.

Bei den „Friedlichen Landschaften“ ging Gerenot Richter nicht von vor der Natur entstandenen Skizzen, sondern von zufälligen Flächenätzungen aus. Diese wurden dann mittels der Strichätzung weiter ausgedeutet. Dabei entstanden heitere, den Eindruck von Harmonie vermittelnde Landschaftsdichtungen. In ihnen werden die Experimentierfreude, die Spiellust und der Humor des Künstlers sichtbar, die sich bei den Miniaturen auch insgesamt häufiger Bahn brechen, als bei seinen großen, die existenziellen Fragen berührenden Hauptwerken.

Die „Burgker Miniaturen I - V“

Die Folge der „Burgker Miniaturen I - V“ entstand 1981 als Ergebnis eines Studienaufenthalts von Gerenot Richter auf Schloß Burgk. Eingeladen hatte ihn Lothar Lang, der zu dieser Zeit Direktor des Museums Schloss Burg war und als „Papst“ der Kunstkritik in der DDR galt. Ingeborg Richter, die ihren Mann begleitete, erinnert sich, dass er während der ganzen Zeit des Aufenthalts wie ein Besessener gezeichnet habe, beinahe jede Stunde des Tageslichts nutzend. Ebenfalls Reminiszenz an den Burgker Studienaufenthalt ist vermutlich die Miniatur „Stilleben mit Zugbrücke“ (1982, WV 2-162). Deshalb wird sie hier in der Ausstellung mit im selben Rahmen gezeigt. Die Burgker Miniaturen stehen zudem in Verbindung mit einer Folge fünf weiterer, erheblich größerer Aquatinta-Radierungen (21 x 29 cm), die ebenfalls Gebäude und Umgebung von Schloss Burgk zeigen.

„Blüten aus Knollen und Zwiebeln“

Nicht zu den Landschafts- und Stadtminiaturen gehört die Folge „Blüten aus Knollen und Zwiebeln“ (1986). Sie verdankt ihre Entstehung einem Auftrag von Elke Lang, die sich, dem damaligen Sammelschwerpunkt ihres Mannes entsprechend, ein Exlibris bestellte. Vermutlich bestimmte sie auch selbst das Sujet. Mit dem Ergebnis, einem Strauß unzähliger, von einer Schleife zusammengehaltener Feldblumen (Exlibris Elke Lang I, WV II-226), war sie aber nicht zufrieden.

An dieser Stelle kam ein Kunstdruck-Kalender aus dem damaligen „Westen“ ins Spiel, mit großformatigen Tafeln des 1613 erschienenen Prachtbandes „Hortus Eystettensis“ (zu Deutsch: Garten von Eichstätt), verfasst vom Apotheker, Botaniker, Sammler, Kupferstecher und Verleger Basilius Besler aus Nürnberg (1561-1629). Die ausgezeichneten historischen Kupferstiche müssen Gerenot Richter sehr fasziniert haben. Seine produktive Auseinandersetzung mit ihnen führte zur Entstehung von 14 frei nachempfundenen Blumenstücken sowie einem gleich großen Titelblatt. Die gewonnenen Erfahrungen nutzend, radierte der Künstler schließlich einen zweiten, diesmal sehr übersichtlichen Blumenstrauß. Den allerdings machte er nicht zum Exlibris, sondern deklarierte ihn als seinen Betrag zum 40. Jahrestag der Gründung der SED. In feiner, jedoch kaum verborgener Ironie, verpasste er der Schleife die Aufschrift: „Es lebe die Partei der Arbeiterklasse“. Solch botanische Miniatur von 6 x 4,5 Zentimetern entsprach wohl kaum dem, was die regierende „Partei der Arbeiterklasse“ zu diesem Anlass an künstlerischen Huldigungen erwartete. Als Exlibris II für Elke Lang musste dann – gespiegelt und auf der Schleife mit ihrem Namen versehen – das erste Blatt der Blumenfolge, die „Anemone“ herhalten.

„Albrecht Altdorfer zum 450. Todestag“

Von den Einzelminiaturen möchte ich das Blatt „Albrecht Altdorfer zum 450. Todestag“ etwas genauer vorstellen. Es gehört zu den Arbeiten, von denen mehrere gedruckte Fassungen überliefert sind, die hier in der Ausstellung auch gezeigt werden. So lässt sich ein Teil des Entstehungsprozesses dieser Miniatur nachvollziehen. Gerenot Richter hat sich über das Altdorfer gewidmete Blatt selbst geäußert. In einem Brief vom 13. April 1988 schreibt er an den Kunsthistoriker Matthias Mende in Nürnberg: „Bezüglich einer Bildidee zu A. A. habe ich das Maul doch zu voll genommen. Nun ist lediglich eine kleine ‚Verneigung‘ herausgekommen, wobei das Monogramm-Engelchen kopiert ist, die anderen Bildteile frei nachempfunden sind – nicht immer im Gegensinn.“ Vorlage für die „frei nachempfundenen Bildteile“ war Altdorfers „Berglandschaft mit Kopfweiden“, entstanden um 1511. Gegenüber der Vorlage hat Gerenot Richter die beiden Altdorferschen Weiden stärker in den Vordergrund gerückt. Altdorfers Monogramm – im Original als Täfelchen ziemlich unscheinbar an der rechten Weide hängend – ersetzte er links unten im Bild durch den oben erwähnten „Schutzgeist mit Monogramm“ (ca. 1520). Dabei hat er in den Fuß des Monogramms Altdorfers Sterbedatum 1538 integriert. Im Zuge der weiteren Überarbeitungen verschwand schließlich noch der Kopf der rechten Weide. Ihr Stamm geht nun organisch in die Krone eines zerzausten Nadelbaumes über, an eine von Gerenot Richters eigenen Schöpfungen erinnernd.

„Hommage à Georg Friedrich Kersting“

Beredtes Beispiel für Gerenot Richters Wertschätzung der Meister früherer Zeiten ist auch die „Hommage à Georg Friedrich Kersting (Die Stickering, 1812)“. Dieses als exemplarisch für die Interieurmalerei der Romantik geltende und vermutlich bekannteste Bild Kerstings zeigt eine Frau am Fenster sitzend, über einen Stickrahmen gebeugt. An der hinteren Wand des Zimmers steht ein Sofa, darüber hängt das Porträt eines jungen Mannes. Gerenot Richter schuf die Hommage im Zusammenhang mit seiner Personalausstellung 1988 im Kerstinghaus in Güstrow. Er zeigt in ihr zwar erkennbar das gleiche Zimmer (übrigens vertikal gespiegelt), aber mit gänzlich anderer Nutzung und dementsprechend stark veränderter Ausstattung. Vorm Fenster sitzt er selbst, natürlich nicht über einen Stickrahmen, sondern über eine Radierplatte gebeugt. Das Sofa bei Kersting ist durch eine Druckpresse ersetzt, an der Wand befindet sich ein Bord mit Druckutensilien, darüber an einer Leine sind Druckfilze zum Trocknen aufgehängt. Dieses Interieur lässt keine romantische Idylle wie in Kerstings Gemälde entstehen. Die Verbindung zur Vorlage wird jedoch durch das an der Wand hängende Bild unterstrichen. Es zeigt nämlich, zumindest mit der Lupe klar erkennbar, eine seitenrichtige Kopie des gesamten Gemäldes Kerstings.

Nur kurz hinweisen möchte ich auf ein paar sehr persönliche Blätter, darunter den mit dem Grabstein der Eltern des Künstlers und die Miniaturen, die er seinen Enkelkindern Katharina, Georg, Maria und Johanna anläßlich ihrer Geburt widmete. Sie sind hier in der Ausstellung teilweise ebenfalls in unterschiedlichen Fassungen zu sehen. Der jüngste Enkel Rudolf ging leer aus, denn als er im Sommer 1990 geboren wurde, hatte der Großvater die Radiernadel schon für immer aus der Hand gelegt. Immerhin kratze Gerenot Richter an der Uhr seines Vaters noch Rudolfs Namen und Geburtsdatum mit der Radiernadel in die Innenseite des Uhrdeckels. Lange zuvor hatte er dort schon neben den Daten seines Vaters, seine eigenen und die seines Sohnes eingraviert.

„Exlibris [für] Jan de Maere“

Für ein letztes Blatt will ich Ihre Geduld noch in Anspruch nehmen – ein richtiges Kabinettstück, das uns einige Rätsel aufgibt. Sie finden es auch auf der Einladungskarte. Es ist das „Exlibris [für] Jan de Maere“ (1987), den Brüssler Galeristen, der Gerenot Richter 1986/87 insgesamt dreimal in Belgien ausstellte. Diese Miniatur zeigt in altmeisterlicher Art drei Figuren. Das Arrangement erinnert mich ein bisschen an Dürer, etwa an seine „drei Bauern im Gespräch“ um 1497.

Aber eine reine Dürer-Adaption kann es kaum sein, denn die linke Figur, ein Mann im langen Gehrock und mit Hut, der uns den Rücken zuwendet, kennen wir ja schon von dem Richter’schen Blatt, das die Vorlage für das Ausstellungsplakat lieferte und im Original hier hinter mir hängt. Es trägt den Titel „Manneken Pis (Antwerpen)“ und weist damit auf eine Serie von 12 Tafelbildern zu niederländischen Sprichwörtern hin. Sie wurden von Pieter Brueghel dem Älteren geschaffen (1558) und befinden sich heute im Museum Mayer van den Bergh in Antwerpen. Das auf der zitierten Tafel dargestellte Sprichwort heißt „Gegen den Mond pissen“, was so viel bedeuten soll wie: bei einem unmöglichen Unterfangen scheitern. Mit dieser Information im Kopf entdeckt man unschwer den Urinstrahl, der von dem Hutträger ausgeht und in steilem Bogen zwischen den Füßen seines Gegenübers endet. Dieser, ein etwas beleibter Mann, in pludrigen Hosen, mit einer Pfeife im Mund und einer turbanähnlichen Kopfbedeckung, lenkt mit der rechten Hand seinerseits einen Urinstrahl zwischen die Füße des linken Mannes. Beide Strahlen kreuzen sich wie die Degen beim Duell. Sollte die Frau im Hintergrund etwa die Begleiterin und Sekundantin des Turbanträgers sein oder aber die Schiedsrichterin eines ungewöhnlichen Wettstreits à la Loriot unter dem Motto „Wer kann länger“? Die Frage müssen wir wohl ungeklärt lassen. Aber eine Auskunft darüber, wo Gerenot Richter seine Vorbilder für den Mann mit Turban und die Sekundantin fand, darf ich Ihnen jetzt natürlich nicht vorenthalten. Zum Glück hat er uns mit zwei Zahlen über den Figuren wichtige Fingerzeige gegeben. So lässt sich zweifelsfrei herausfinden, dass die Frau dem Dürer’schen Kupferstich „Marktbauer und sein Weib“ von 1512 entstammt und der rechte „pissende Mann“ die Kopie einer gleichnamigen Radierung des Niederländers Rembrandt van Rijn von 1631 ist. Bleibt nur noch zu ergänzen, dass beide Originale für das Exlibris gespiegelt wurden.

Schließen möchte ich mit Worten des Berliner Kunsthistorikers Volkhard Böhm aus seiner Besprechung der Gerenot Richter Werkschau, die 2016 in der webbasierten Zeitschrift für Druckgraphik und visuelle Kultur „UM:DRUCK“ in Wien erschien. Diese Worte charakterisieren m. E. sehr genau, was man hier in dieser kleinsten und gleichzeitig umfangreichsten Ausstellung der Werkschau sehen kann. „Als Naturbeobachter schuf Richter eine empathische Kunst, inspiriert vom Humanismus und einer intellektuellen Künstlerschaft, in deren Bildern auch unaufdringlich das Pädagogische eines geistreichen Lehrers mitschwingt. Mit Euphorie und auch Pathos ‚umarmt‘ er das Universum in einer Synthese von Dichtung und Intellekt, in der sich Phantasie und Sachlichkeit durchdringen. Dieser Künstler ist ein Dichter.“

Volkhard Böhm in der webbasierten Zeitschrift für Druckgraphik und visuelle Kultur „UM:DRUCK“ in Wien, 2016

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.


Friedliche Landschaften – Die Miniaturen
Ausstellung vom 31. März bis 28. April 2017
Grafik Studio Galerie | Rigaer Straße 62 | 10247 Berlin
Laudatio: Ekkehard Richter
Musik: Dorothea Hachtmann (Querflöte)


Kapitel 5 der Gerenot Richter-Werkschau


Auszug aus der Laudatio von Astrid Volpert zur Ausstellungseröffnung
am 21. Januar 2017 | Galerie im Neuen Rathaus Templin

  • Den vollständigen Text können Sie sich als PDF am Ende der Seite herunterladen

Die hier eröffnende vorletzte Station dieser Reise durch Richters Bilderkosmos erfasst sein Früh- bzw. Spätwerk. Dabei spannt sich der Zeitbogen vom Beginn der 1960er Jahre bis 1989, ungefähr ein Jahr vor seinem viel zu frühen Tod im Alter von 64 Jahren. 98 Arbeiten sind im Templiner Rathaus versammelt. Sie werden es bei ersten Blicken die Haupttreppe aufwärts und in den Fluren von zwei Etagen schon bemerkt haben – es handelt sich nicht nur um Drucke, also Radierungen und Lithografien, sondern auch um Handzeichnungen und sogar drei Ölbilder …

Was wir sehen, sind Landschaften, Stillleben und Bildnisse. Manchmal ist es gar nicht so einfach ist, das einzelne Kunststück exakt einer Periode zuzuschreiben. Denn Übergänge sind oft fließend, je nachdem, in welchem Kontext wir die Entwicklung eines Themas bzw. die Struktur des Werks betrachten – kompositionell oder drucktechnisch. Die Einladungskarte kündigt für jede Etappe ein prägnantes Beispiel an. 1974, nach einem Rügen-Aufenthalt, entstand die Radierung „Terra Mater“. Sie gilt als ein Fixpunkt des Richterschen Frühwerks. Der Titel dockt an Geschichte an: In der römischen Mythologie bedeutete dieser Begriff die Personifizierung der Mutter Erde als Göttin. Das klingt nach Pathos, aber gerade das offenbart dieses Blatt nicht. Wir sehen bewegte, natürliche Schönheit und mittendrin ein gebeutelter Mensch, kein Prophet, eher ein Mahner. So gibt der Künstler dem Motiv einer Wind und Wettern trotzenden, zerzausten Gestalt in der Ebene, an der Grenzlinie von Land und Wasser, lebendigen Ausdruck. Die Vibrationen der Kaltnadelstriche formieren konzentrierte, aufrechte Körperhaltung und die Gewissheit: Diese Figur lässt sich im Sturm nicht einfach wegfegen. Nach vorn blickend, zeigt sie offen Gesicht.

Den anderen Pol – das sogenannte Spätwerk – besetzt die nachweisbar letzte druckgrafische Arbeit aus dem Jahr 1989. Auch dieser Radierung / Aquatinta liegt eine Handzeichnung zugrunde und Volkhard Böhm bezeichnet das finale Blatt als Richters Vermächtnis. Das Motiv entpuppt sich als ein Fragment barocker Gartenkulisse: ein sich zwischen der Mauerbegrenzung des Geländes mit schmückenden Amphoren und ruhenden majestätischen Baumgestalten schlängelnder Parkweg. Es gehört zur unmittelbaren Umgebung von Schloss Neschwitz in der Nähe von Bautzen. Der Kunsthistoriker Volkard Böhm berichtet, Richter habe die Druckplatte überätzt und somit einen flauen Abdruck hervorgerufen. Eben dieses Resultat vermochte den melancholischen Gehalt seines Abschiedsblatts zu steigern. „Herbstlicht“. Der sonst eher zu lapidar informierenden Bildtiteln greifende Künstler wählte diesmal die poetische Steigerung, im Bewusstsein des Erreichens des Endpunkts seines grafischen Tuns. Namentlich widmete er das Werk Ingeborg, seiner Begleiterin durch vier Lebensjahrzehnte. Auf noch ein Detail sei verwiesen: Im Unterschied zur „pur landschaftlich“ gehaltenen Vorzeichnung fügte Richter im Druck ein tröstliches Zitat ein: Unten rechts, zwischen zwei Bäumen, lagert ein Paar schlafend auf einer Bank. Es ist Barlachs Figurengruppe von 1912, das „Schlafende Bauernpaar“, auch „Schlafende Vagabunden“ genannt …


„terra mater“ & „Herbstlicht“ – Spät- und Frühwerk
Ausstellung vom 21. Januar bis 15. März 2017
Galerie im Neuen Rathaus | Prenzlauer Allee 7 | 17268 Templin
Laudatio: Astrid Volpert
Musik: Renate Kelletat (Blockflöten)


Ein Meister der Radierkunst

Gerenot Richter zum 90. Geburtstag | 29.11.2016 | 56 Min. |  in der Mediathek des rbb verfügbar bis 29.11.2017

Gerenot Richter galt als Romantiker mit scharfem Verstand, als ein Meister der Radierung und zugleich Meister des Gleichnisses. Die alte deutsche Tradition der Grafik im Sinne Dürers hat er in unsere Zeit gebracht.

Eine Betrachtung von Leben, Werk und Nachlass von Michaela Gericke. Zu Wort kommen außerdem Ingeborg und Ekkehard Richter.


Kapitel 4 der Gerenot Richter-Werkschau


Aus der Laudatio von Christina M. Wilsky zur Ausstellungseröffnung
am 23. November 2016 | Galerie 100 in Berlin-Lichtenberg

Ich begrüße alle, die gekommen sind, die Werke Gerenot Richters kennen zu lernen, alle, die seine Bilder wieder und wieder betrachten wollen, die mit mir das Schaffen Gerenot Richters ehren und bewundern. Ich begrüße seine Familie, ehemalige Kolleginnen und Kollegen, ehemalige Studentinnen und Studenten und die vielen Freunde seiner Kunst! Heute öffnet die Galerie 100 ihre Tür für das 4. Kapitel der Ausstellungsreihe, die thematisch gegliedert, das umfangreiche Schaffen des Künstlers und Lehrers Gerenot Richter zeigt!

Ich habe in den Jahren 1975 bis 1979 im Fachbereich Kunst der Humboldt-Universität Berlin studiert, also in einer Zeit, in der Gerenot Richter als Professor dort lehrte. Das Thema dieser Ausstellung „Funde am Hohen Ufer“ – Strandläufer und Meerwunder erinnert mich an ein Praktikum an der Ostsee gemeinsam mit Prof. Richter und Herrn Prusko, es erinnert mich an unsere zeichnerischen Versuche am Strand, um diese Entwürfe dann in den Räumen der Universität in verschiedenste Drucktechniken umzusetzen. Mit Naturstudien, die einen wichtigen Platz im Studienplan einnahmen, experimentierten wir und wir wurden vertraut gemacht mit den Geheimnissen der Bildgestaltung und vielen künstlerischen Techniken, auch so mancher sehr alten Technik, die längst vergessen schien wie zum Beispiel mit der Tiefdrucktechnik Mezzotinto oder der Reservage, ein Absprengverfahren bei der Radierung.

„Funde am Hohen Ufer“ – Strandläufer und Meerwunder

Prof. Richter war ein ernster, feinsinniger Mensch mit leisem Humor. Seine Sammlung lustig misslungener Studentenarbeiten hat er aber niemals öffentlich gemacht. (Ich hätte sie gern gesehen.) Später in meiner Lehrtätigkeit hatte ich dann auch so eine Sammlung und wusste, was er damals meinte. Seine Haltung als Dozent war gegenüber den Studierenden immer mit Achtung gepaart. Ich nahm ihn wahr als einen Menschen im Bewusstsein der Flüchtigkeit der Erscheinungswelt, in die er sich einbezogen wusste. Damals ahnte ich noch nicht, dass ich von den unterrichtenden Dozenten ein Fundament erhalten hatte, auf das ich meine 40-jährige Tätigkeit als Pädagogin und Künstlerin bauen konnte.

Diese Ausstellung „Funde am Hohen Ufer“ ist, wie die vorhergehenden thematischen Ausstellungen, von Herrn Helmut Müller in enger Zusammenarbeit mit der Familie Richters gestaltet, und ich möchte anmerken, dass das Schaffen von Gerenot Richter in jeder Räumlichkeit so arrangiert wurde, dass dies ein eigenes Kunstwerk ist. Sehr interessant, wie Helmut Müller Gerenot Richters Experimente an einem Motiv oftmals so gegenübergestellt, dass der aufmerksame Betrachter die erstaunlichen Veränderungen in der Wirkung bemerken kann. Er hat eine Regie geführt, die unsere Blicke lenkt, die ästhetischen Genuss schafft und uns die Kunst erleben lässt!

Wir sehen hier 70 Werke Gerenot Richters zum Ostseethema, von den 1960er Jahren bis zum Jahr 1989. In zwei Räumen und einem Durchgang werden Handzeichnungen mit Bleistift, Feder, Filzstift und sogar farbige Arbeiten gezeigt, darunter zwei Öl-Bilder. Und natürlich Lithografien und die von ihm bevorzugten, mit Leidenschaft betriebenen Tiefdrucktechniken: Kaltnadelradierung, Ätzradierung und Aquatinta. Hier konzentrieren sich See und Strand – Motive mit all seinem Beobachteten, Gefundenen oder Erträumten.

Woran denken wir beim Thema Ostsee?

Welche Motive verbinden sich für uns mit der Ostsee? Wir denken an Strände, Steine, Muscheln, knorrige Hölzer, weite Himmel, Wolken, Schiffe, Boote, sich Sonnende, Strandläufer, Badende und mehr ... Alles das finden wir auch in der Bilderwelt Gerenot Richters! Ausgehend von den Aufenthalten an der Ostsee, entwickelte sich im Schaffen Gerenot Richters dieses Thema zu einem bedeutsamen, das sich durch sein Gesamtschaffen zieht, sein reifes Werk prägt und auf den Übergang zu seinen letzten Arbeiten weist. Mit diesem Thema hat sich die besondere Eigenart der Gestaltungskonzeption Gerenot Richters entwickelt.

Die Ostseebilder spiegeln Persönliches, sie spiegeln in bemerkenswerter Weise auch das Leben in der DDR. Die weiten Strände auf Rügen, Usedom oder Darß sind für viele ehemalige DDR-Bürger verbunden mit Urlaubserinnerungen, mit einem Abschalten vom Alltag. Hier konnte man eintauchen in ein Gefühl von unbeschwerter Weite und Freiheit, nicht zuletzt durch die legalisierte Freikörperkultur der Badeordnung (von 1956). Freiheit zu spüren, der tiefe Wunsch vieler DDR-Bürger, konnte hier gestillt werden. Die fröhliche Stimmung verband sich zugleich aber auch mit einer Ahnung von der Bedrohung des Lebens.

Da gab es die spürbar gewaltige Kraft der See und des Windes, den nicht zu überblickenden, weiten Landschaftsraum, die hoch aufragenden Kreidefelsen der Steilküste, die Steine und gestürzten Bäume. Werden und Vergehen erscheinen sichtbar ineinander verwoben. Dort, wo die Natur fortlaufender Veränderung unterliegt, dort wo der Mensch im Spannungsfeld gigantischer Kräfte steht, dort wird der Mensch sich seiner Winzigkeit bewusst! Da wächst Beunruhigung! Hier wird verständlich: Nichts bleibt, wie es war!

Das Motiv des Strandes und der See in den Werken der DDR-Kunst mit all seinen differenzierten künstlerischen Formlösungen, erscheint als Ort einer über die Grenzen der Menschen erhabenen Existenz. Die ostdeutsche Kunst – da können wir in alle Richtungen schauen, besonders aber zu den Künstlern der Leipziger Schule (die G. R. sehr schätzte!) – durchzieht die Liebe zur Ostsee! Das verwundert nicht. Vor dem Hintergrund einer hermetisch abgeschlossenen DDR wurde dieser Landschaftsraum Motiv für avantgardistische Pleinairs und Symbol für Fernweh. Es lässt sich erkennen, dass diese Ostseebilder über Privates hinauswuchsen und zu einem gesellschaftlichen Thema wurden, ja in besonderem Maße identitätsprägend! Das Werk Gerenot Richters gehört dazu! Hier fand Nachdenklichkeit, das Reflektieren über Humanität und über unser Naturverständnis einen Ausdruck.

Man kann unbescheiden sagen, dass viele Ostseebilder dieser Zeit bemerkenswerte, kunsthistorisch wertvolle Leistungen sind, die sich in die Reihe der konventionellen Strand- und Meerstücke stellen dürfen!

Er stand auf den Schultern der „Alten Meister“

In den Meisterwerken der Kunstgeschichte kannte sich Gerenot Richter hervorragend aus! Um es mit seinen Worten zu sagen: er stand auf den Schultern der „Alten Meister“, er trug ihr Können und ihre Werte weiter in seine Zeit, in unsere Zeit. An dieser Stelle möchte ich ganz besonders auf die vier großartigen Radierungen verweisen, die Gerenot Richter zum 450. Todestag Albrecht Dürers geschaffen hat. Zu den wunderbaren Radierungen Gerenot Richters gehören unbedingt auch die Strandläufer-Bilder, die Seestücke und die Meerwunder mit ihren rätselhaften Funden, wo Wirklichkeit und Gestaltung eine spielerische Surrealität gewinnen. Mein Blick blieb lange am Blatt „Strandläufer V“ aus dem Jahr 1977 hängen, eine Radierung, die Teile mit der Aquatintatechnik verbindet. Es entstand in den Jahren meiner Studienzeit, ich erkenne sofort im Vordergrund seine akribisch genau erfasste lederne Umhängetasche und ein Fernglas. Diese Gegenstände zusammen mit einem Handtuch befinden sich an einem, vom Wasser geprägten Holzpfahl, der an Vergehen und Wandel denken lässt, und der aufrecht, wie ein Obelisk, den linken Bildrand begrenzt. Immer wieder sind es die Dinge des Alltags, denen sich die Augen Gerenot Richters so liebevoll zuwenden, Dinge, die eine Ausstrahlung haben, die ich mit der Sprache von R. M. Rilke wiedergeben möchte: „die Dinge, die Dinge singen hör ich so gern“.

In den Arbeiten Gerenot Richters schaffen die behutsam gegliederten Tonwerte, die leisen und auch kräftigen Bewegungen vielfältiger Strukturen tatsächlich eine Rhythmisierung, die man hören kann! Schauen Sie nur auf die Dynamik der Linien, der Flächen und Strukturen! Gesehenes wird hörbar! Spannung baut sich durch die Verbindung der Gegensätze auf. Licht und Finsternis, Bewegung und Ruhe bedingen einander. Das von Menschenhand Geschaffene berührt das in der Natur Gewachsene, das Nahe korrespondiert mit der Ferne!

Als könne er über das Wasser laufen

Plötzlich nehme ich in der Ferne, am Ufer des Strandes den Strandläufer wahr, miniaturhaft gezeichnet, mittig an den unteren Bildrand gesetzt, kreisen meine Gedanken um ihn. Er schreitet, so als wolle und könne er über das Wasser laufen, er ist in Bewegung, will zu neuen Ufern!

Der Schreitende, ein bekanntes Motiv in der Kunst, steht in einer künstlerischen Tradition, die von der Antike bis in unsere Gegenwart reicht. (Ägypter / Rodin / Giacometti / Mattheuer). Dieses Motiv verbindet sich immer mit Bewegung, mit Aktivität, mit Kraft, mit dem Neugierigsein auf Neues, mit einem Aufbruch, mit Veränderungen, die sowohl persönlich als auch gesellschaftlich gedacht werden können, oft ohne zu wissen, wohin oder wie es weiter geht.

Mit einer Zeichenmappe unter dem Arm ist der Mann der See zugewandt, erinnert vielleicht an den Künstler selbst und erinnert auch an die Meditation des Mönchs am Meer von Caspar D. Friedrich. Möwen erheben sich in die Luft, sie assoziieren ein freies Leben. Erde und Wasser, Himmel und ein phantasievolles Wolkengebilde, welches Formen schafft, die vielleicht ein Pegasus sind oder ein Phönix? Ich kann versinkend träumen!

Der rechte Bildrand ist offen – hier fließt alles weiter wie das Leben. Ich entdecke, die Strandläuferbilder sind Sehnsuchtsbilder. Sie spiegeln eine tiefe Naturverehrung mit dem Wissen um ihre Verletzbarkeit. Eine so kleine bescheidene Arbeit von solch konzentrierter Größe, das macht für mich das Schaffen Gerenot Richters aus.

Verblüffende Perspektiven, Räume und Durchblicke, Mensch und Tier, Gegenstände oder Phantastisches! Klein – groß, dieser Aspekt wird typisch für die Bilder Gerenot Richters. Kleine Dinge, die er findet, zum Beispiel verwitterte Hölzchen werden im Bild Baumgiganten und einen Menschen oder ein Fahrrad muss man mit der Lupe suchen. Diese proportionale Veränderung der Wirklichkeit ist eine typisch surreale Konzeption.

In allen grafischen Blättern Gerenot Richters zeichnet die Radiernadel oder die Spitze des Bleistifts vielfältige Linien, filigrane Strukturen und manchmal stellt der Künstler Flächen daneben. So gestalten sich verblüffende Perspektiven, Räume und Durchblicke, Mensch und Tier, Gegenstände oder Phantastisches! Die gewohnte Wahrnehmung sprengend, führt uns die Kunst Richters zu unerwarteten Eindrücken und uns berührenden Gedanken.

Gerenot Richter gibt dem mit Demut vor der Natur Gesehenen eine bildkünstlerische Übersetzung, die aus der Beobachtung heraus ergänzt, zitiert oder erfindet. Er hat zu einer poetischen, unaufdringlichen Bildsprache gefunden, immer authentisch, mit höchster technischer Meisterschaft, die ein sensibles Sehen fordert. Seine Kunst ist eine Weide für unsere Seele. Wer sich darauf einlässt, wird beschenkt.

Danke fürs Zuhören.


„Funde am Hohen Ufer“ – Strandläufer und Meerwunder
Ausstellung vom 23. November 2016 bis 11. Januar 2017
Galerie 100 | Konrad-Wolf-Straße 99 | 13055 Berlin
Laudatio: Christina M. Wilsky
Musik: Barbara Ehwald (Sopran), Giedre Lutz (Klavier)


Kapitel 3 der Gerenot Richter-Werkschau


Aus der Laudatio von Roland R. Berger zur Ausstellungseröffnung
am 25. Oktober 2016 | Humboldt-Universität zu Berlin

Aus Anlass des 25. Todestages und des bevorstehenden 90. Geburtstags von Prof. Dr. Gerenot Richter haben seine Kinder sowie seine Gattin ein Ausstellungsprojekt zu seinem Gedenken angeregt, das in sechs Kapiteln einen Überblick zum künstlerischen Schaffen des Grafikers, Zeichners und Malers zeigt. Das Projekt wurde kuratierend und organisatorisch von Helmut Müller begleitet und betreut, einem Schüler von Gerenot Richter und profunden Kenner des Gesamtwerkes.

Zwei Ausstellungen sind bereits in Gransee-Dannenwalde und in Fürstenwalde gezeigt worden, diese hier ist die dritte in der Reihe, drei weitere werden noch folgen. Nun also hier im Lichthof der Humboldt-Universität zu Berlin die Stadtlandschaften unter dem Titel „Spree-Athen“, obwohl Richter nur einer Grafik diesen Titel gegeben hatte. Sie wird hier in mehreren Druckvarianten vorgestellt. „Spree-Athen“ aber doch, weil Berlin – Ost-Berlin, die Hauptstadt der DDR – zum Mittelpunkt des Lebens und der Schaffensort des gebürtigen Dresdners Gerenot Richter wurde.

„Spreeathen“ – Stadtlandschaften

Spreeathen – Eine kleine Abschweifung zum Synonym für die Stadt Berlin. Der Begriff wurde von dem Juristen und Dichter Erdmann Wircker 1706 anlässlich des zweihundertjährigen Bestehens der ersten brandenburgischen Landesuniversität Alma Mater Viadrina in Frankfurt / Oder geprägt. In einer Festschrift huldigte Wircker dem Landesherrn König Friedrich I. von Preußen:

„Die Fürsten wollen selbst in deine Schule gehn
Drumb hastu auch für sie ein Spree-Athen gebauet,
Wo Prinzen in der Zahl gelehrter Musen stehn
Da wird die Weisheit erst in rechter Pracht geschauet.“

Erdmann Wircker 1706

Das sind natürlich Vorschusslorbeeren, denn die mithin unter diesem Begriff zu erwartenden Bauten entstanden in Berlin erst viele Jahrzehnte später, selbst die Universität wurde ja erst 1810 gegründet (Leipzig als Pleiße-Athen, Jena als Saale-Athen, Sehnsucht nach einem Nationalstaat, getragen von antikisierender Bildungsbeflissenheit / „Spree-Athen“ – der Begriff wurde für und in der Stadt gutmütig gemeinter Spitzname dank der lockeren Berliner Mundart)

Gerenot Richter, 1926 in Dresden-Laubegast als Sohn eines Studienrates geboren, kam 1951, nach Schulzeit, Kriegsdienst und Gefangenschaft und als Neulehrer in Dresden sowie einem dort und in Leipzig begonnenem Studium der Fächer Kunsterziehung und Geografie nach Berlin und schloss an der Humboldt-Universität sein Studium ab und arbeitete fortan an „seinem“ Institut in der Burgstraße Nummer 26.

Die Ausstellung zeigt als früheste Arbeit eine Gouache-Malerei von 1953 mit Berliner Brücken. Der Standort für diese Darstellung, die malerisch überraschend französisch anmutet, ist gegenüber dem Institutseingang an der Friedrichsbrücke mit Blick auf die Spree Richtung Nordwesten. Das Motiv kehrt in Richters Werk immer wieder. Dieser Kiez wurde seine Arbeitsheimat, nicht nur von der Burgstraße aus. Aber die Sicht aus den oberen Etagen des Instituts, auch von Dach in alle Himmelsrichtungen hatte einen ungemein starken Reiz. Dieser Blick nährte sogar Gerenots Hoffnung auf Genesung, eine letzte Rundumsicht ist ein rührend-zeichnerischer Gruß an seine Frau Ingeborg.

Richters Berliner Stadtlandschaften haben, vor allem in den 1960er und 1970er Jahren, ihren Beobachtungsmittelpunkt: Burgstraße 26. In diesen beiden Jahrzehnten, die von ehrgeizigen und imponierenden Bauprojekten in allen größeren Städten der DDR geprägt waren, sind die Richterschen Arbeiten zu Berlin vedutenhaft genaue, geradezu die Bauentwicklung begleitende Dokumentationen. Die Art des Zeichnens vereint akribisches Erfassen der Bauwerke und Straßen mit abstrakten Schraffierungen als zeichnerische Wiedergabe einer als dynamisch empfundenen Atmosphäre. Diese Konzeption des grafischen Ausdrucks ist in den Handzeichnungen ebenso zu finden wie bei den Lithographien im Druckgrafischen. Es war gewissermaßen eine formelhafte Zeichenfindung für diese Aufbruchs-und Aufbaujahre.

Helmut Müller, der mit Ekkehard Richter die Ausstellung aufgebaut hat, ließ sich beim der Hängen der Bilder – ein Glück für Berlin- und Kunstkenner – von Sinn stiftenden Reihungen oder Gegenüberstellungen didaktischer Art leiten, die historische Entwicklungen und Abläufe in der Architektur Berlins bildhaft vergegenwärtigen und oft auch unterschiedliche Druckfassungen als künstlerisches Äquivalent vorstellen. Das wird besonders bei den Tiefdruckgrafiken Richters deutlich, die häufig erst als linear und strukturell vorangetriebene Bildgespinste erarbeitet und gedruckt wurden und nachfolgend mit den flächenfüllenden Körnungen verschiedener Grautöne der Aquatintatechnik einer Verwandlung unterzogen wurden. Im Vergleich der Druckgrafiken wird man bemerken, dass die Komposition und das räumliche Gefüge neue Akzente ausleuchtet und das Helldunkel der Bilder einer dramatisierten Lichtregie folgt.

Die alten Meister der Weltkunst

Gerenot Richter hatte inzwischen bei der Betrachtung der Welt und der Natur vielfältige Erfahrungen gesammelt. Richtschnur waren ihm die alten Meister der Weltkunst, allen voran Albrecht Dürer. Vom Menschen verschonte oder nicht beachtete Bereiche in der Natur und freien Landschaft faszinierten und verführten ihn zur Erprobung einer bildhaften Wiedergabe. Nahezu versteckt waren seine einsamen Arbeitsaufenthalte am Motiv. Etliche Werkgruppen in den späten 1970er und beginnenden 1980er Jahren zeugen von dieser beobachterischen Besessenheit (Strandläufer / Zitate aus dem Bildarsenal Dürers / Strand- und Tagebaulandschaften / Pflanzen, alte Bäume und Fossilien / Schicksale in der Natur-Blattfolge „Nach dem Sturm“ u. a.). Richter schuf, diesem Impetus folgend, die großformatigen Grafiken seiner Gleichnisse. „Gleichnis I“ wird hier stellvertretend gezeigt.

Die gewonnenen neuen Gestaltungsmöglichkeiten sind zum Beispiel die wuchernde Dichte des gezeichneten Bildnetzes mit verschiedenen Tiefen der Räumlichkeit bei einem üppig überbordenden Vordergrund und vehementen, gar gleißend hellen Durchblicken in die Ferne oder die im Bildgefüge versteckten Gegenstände, Zitate aus Werken der alten und neuen Meister, gleichsam im Bilddickicht eingeschlossene Geistesinseln. Die etwas kleineren Formate der Berlin-Bilder in den 1980er Jahren bedienen sich der neuen Qualität der Bildsprache. Vielleicht sind sie nicht von der Wucht, der Naturkraft, der düsteren Romantik und dem geheimnisvollen Märchenzauber wie die Blätter der Gleichnisse erfüllt, so eint sie aber andere Gemeinsamkeiten.

Die „Berlin-Blätter“ von Gerenot Richter

  • Museumsinsel bei Nacht (1983) WV: II-187
  • Spreeathen I (1984) WV: II-1943
  • Die Uhr im Lesesaal (1985) WV: II-214
  • Berliner Mahnmal (Synagoge) (1985) WV: II-223
  • Drei Grazien (1986) WV: II-242
  • ARTEM NON ODIT NISI IGNARUS (1986) WV: II-244 (Nur der Unwissende verachtet die Kunst)
  • Die Neue Friedrichsbrücke (1987) WV: II-261

Bei diesen Grafiken Richters besticht und beeindruckt das Authentische des Menschenwerks Architektur als bewundernswerte Schöpfung, als geschichtsträchtiges Zeichen mit einmaligem Nimbus, aber ausgesetzt den Symptomen der Vergänglichkeit, zeitlich bedingtem Zerfall oder der Zerstörung durch Gewalt von Menschen im Krieg. Die Bilder erfassen die Bestände von Bauensembles und deren historisches Schicksal in der Mitte Berlins. In der bildlichen Vergegenwärtigung Richters erfahren die Kulissen und Zeugen der stadtgeschichtlichen Kultur eine gleichnishafte Bestimmung und sollen als Mahnzeichen kultureller und geistiger Besinnung verstanden werden.

Auf Staffage wie in den großen Gleichnissen verzichtet Richter, baut aber deutliche Hinweise ins Bild. Sie sind schriftlicher Art bei der Ruine des Neuen Museums, oder eine raffinierte Lichtregie beherrscht die nächtliche Museumsinsel, oder konkrete Bauwerke sind in Durchblicken zu entdecken (Palasthotel, Berliner Ensemble, Charité-Hochhaus), oder bestimmte Bildobjekte entfalten eine eigene Symbolik (die zeigerlose Uhr, das Dekor von Hans Poelzig als Grazien eines Revuetheaters), oder gar die Phänomene jahreszeitlicher Natur (die brüchigen Eisschollen vor dem Dom im Nebel, ein tiefschwarzer Nachthimmel mit den Lebenszeichen erleuchteter Fenster im Museum) – alles deutet auf das Werden und Vergehen, aber auch auf die Möglichkeit des Bestehens, wenn sich der Mensch darum bemüht und kümmert. Dass die Ausstellung an andere Städte im In-und Ausland bildhaft erinnert (Moskau, Leningrad / St. Petersburg, Budapest, Rostock, Bautzen, Hoyerswerda, Putbus u. a.) zeugt auch von einer farbigen Weltläufigkeit im Werk des eigeschworenen Grafikers Richter.

Ein wichtiges Blatt vermisse ich allerdings. Richters Geburtsstadt Dresden ist nur mit zwei Arbeiten mehr touristischer Art präsent. Gern hätte ich die Kaltnadelradierung „Vita III“ von 1982 hier gesehen. In dem Blatt schläft das Christuskind (nach Mantegna gezeichnet) friedlich in einer schützenden Pflanzenhöhle, die auf den bizarren Trümmern der im 2. Weltkrieg zerstörten Dresdener Frauenkirche wächst (WV: II-169). Ein erinnernder Einschub meinerseits.

Gerenot war mir in vielerlei Hinsicht Vorbild

Ein richtiger Richter-Schüler bin ich nicht gewesen. Gerenot Richter war nur ein Semester lang mein Lehrer. Nach dem Studium als sein jüngster Kollege lernte ich ihn auf Dauer als Freund kennen und schätzen. Mit ihm konnte ich über alles sprechen, auch über Privates und heikle Bereiche in der Politik. Ich hatte volles Vertrauen zu ihm, da ich wusste, dass er zu schweigen vermochte. Gern habe ich dienstliche Aufträge von ihm übernommen. Wir waren uns in fast allen Belangen konzeptionell, praktisch und politisch einig und arbeiteten zuweilen sehr eng zusammen.

Gerenot war mir stets in vielerlei Hinsicht Vorbild: Ein Sachse mit preußischen Tugenden, wie Pünktlichkeit, umsichtige Neugier und waches Informiertsein, Zuverlässigkeit und natürlich Fleiß und Ausdauer. Zu jedem Termin kam er gut vorbereitet und ernsthaft-gutgelaunt. Als Künstler tendierte er zum Einzelgänger, zum Dürerschen Hieronymus. Er war ein wahrhaft begnadeter Druckgrafiker.

Gerenots Unterricht wurde gern besucht. Es gab etliche Studenten, die seiner Kunst nacheiferten.
Im Kollegium hatte man den Eindruck, dass er Wert darauf legte, als beliebteste Lehrkraft zu gelten. Manche seiner Eigenheiten deuteten darauf hin. Jedoch konnte Gerenot in bestimmten Situationen auch ein mutig-trotziger großer Junge sein, ein eigenwilliger Kämpfer. Einige seiner Eskapaden sind Legende geworden, etwa seine wagehalsigen Klettereien auf dem Institutsdach, um es zu reparieren.

In den 1980er Jahren hatte Gerenot Richter zu sich selbst als Künstler gefunden und konnte sich ganz auf seine Passion konzentrieren. Seine Kunst, inzwischen gereift und gewachsen, war eine solide monolithische Basis für seinen Ruf als Hochschullehrer und Kunstschaffender. Ich freute mich für ihn und war sehr betroffen, dass ihm auf Grund seines unerwartet frühen Todes kein Alterswerk beschieden war. Vielleicht war es aber gut, dass Gerenot so die letzten Jahre und damit die Verunglimpfung, Schmähung und Vernichtung des Instituts für Kunsterziehung, das ja wesentlich auch sein Mittelpunkt und Lebenswerk war, in den Wendewirren nach 1990 nicht mehr erleben musste, als sich die Humboldt Universität gegenüber einer fragwürdigen Bildungspolitik des Berliner Senats sehr ergeben und folgsam erwies.

Geschichte hinterlässt Geschichten, Zeugen und Zeugnisse. Zu den Zeugnissen gehört die Kunst der jeweiligen Zeit, auch die Werke der Kunst von Gerenot Richter.

Freuen Sie sich in dieser Ausstellung über die Gelegenheit zu wundersamen Entdeckungen, zu Genüssen des Anschauens und vielleicht zu einigen persönlichen Erkenntnissen zu gelangen – an Hand der ehrlichen, menschennahen und substantiell hochkarätigen Kunst von Gerenot Richter.


„Spreeathen“ – Stadtlandschaften
Ausstellung vom 25. Oktober bis 16. November 2016
Humboldt-Universität zu Berlin | Hauptgebäude, Lichthof Ostflügel | Unter den Linden 6 | 10177 Berlin
Laudatio: Roland R. Berger
Musik: Maria Richter (Cello), Mathies Rath (Gitarre)


Kapitel 2 der Gerenot Richter-Werkschau


Aus der Laudatio von Helmut Müller zur Ausstellungseröffnung
am 1. Juli 2016 | Domgalerie Fürstenwalde

Gerenot Richter „Ging heut' morgen übers Feld“ – Hommage und Gleichnis Kapitel 2 der 6-teiligen Ausstellungsreihe anlässlich des 90. Geburtstages und 25. Todestages von Gerenot Richter trägt den Titel der ersten ganz großen Gleichnisgrafik von Richter „Ging heut' morgen übers Feld“. Diese, die noch darauf folgenden fünf weiteren großen Gleichnisse und das etwas kleinere „Gleichnis I“ bilden den Kern dieser Ausstellung. Wir haben also alle Meilensteine Richterscher Grafik hier versammelt, umgeben von einer Auswahl weiterer Blätter, auf die der Untertitel „Hommage und Gleichnis“ zutrifft.

Man könnte diese Ausstellung also durchaus als die Hauptschau unter den sechs Ausstellungen betrachten, für die sich auch in dieser Galerie ein wunderbarer Ausstellungsort gefunden hat. *)

„Hommage und Gleichnis“ im Werk Gerenot Richters – ein Thema, das schon in vielen Texten durch Kunsthistoriker untersucht wurde. Besonders die Arbeiten von Gisold Lammel (1942-2001) seien genannt, vor allem sein Text im Greizer Katalog von 1997. Aber auch die Veröffentlichungen von Peter H. Feist (1928-2015) müssen in diesem Zusammenhang erwähnt werden und die hervorragende Besprechung dieser sechsteiligen Werkschau von Volkhard Böhm. Vieles davon ist auch im Internet greifbar, vor allem auf der von Ekkehard Richter installierten Website seines Vaters.

Was habe ich hier da jetzt noch mitzuteilen? Soll ich jetzt Zitat an Zitat reihen um zu einer umfassenden Beschreibung des Themas zu kommen? Das würde eine ziemlich lange Rede werden, die doch nichts neues bringt – also lesen Sie lieber selbst nach. Mein Bezug zu Richters Grafik ist auch kein kunsthistorischer, sondern eher ein praktischer, also will ich auch mal von dieser Seite versuchen heranzugehen, verbunden mit einigen persönlichen Erinnerungen.

„Ging heut' morgen übers Feld“ – Hommage und Gleichnis

Wer die vorige Ausstellung in Dannenwalde gesehen hat, weiß spätestens seitdem, welche große Rolle das Zeichnen vor der Natur als Voraussetzung für Gerenot Richter Grafik spielt. Dort konnte man eine Auswahl von Kaltnadelradierungen aus den späten Grafikkassetten von 1987 und 1988 mit ihren zeichnerischen Vorarbeiten vergleichen – hier haben wir nur einen solchen Vergleich aufgenommen, die „Parkmauer von Schloss Neschwitz“. Vorarbeiten? Sind diese genau beobachteten, intensiven Zeichnungen wirklich nur Vorarbeiten? Auf meine Bemerkung vor seiner Ausstellung 1984 in der Galerie Unter den Linden, dass ich auf die Zeichnungen besonders neugierig bin, hat er sie selbst so bezeichnet: „ganz eng an der Natur und nur Vorarbeiten...“.

Ich finde, dass seine Zeichnungen auch als selbständige und fertige Arbeiten bestehen können, aber Vorarbeiten sind sie insofern, als dass er beim Zeichnen immer schon die Radierung im Sinn hatte. Im Alltag bot sich ihm allerdings wenig Gelegenheit solche aufwendigen Zeichnungen zu machen. Abgesehen von unermüdlichen Kritzeleien während langwieriger Sitzungen und Konferenzen musste das Zeichnen während der jährlich stattfindenden Studentenpraktika erfolgen. Und diese Zeit wurde von ihm maximal genutzt. „Wenn ich nicht weiß, dass ich mindestens sechs Stunden Zeit zum Zeichnen habe, fange ich erst gar nicht an”, hat er mir Mitte der 1980er Jahre mal gesagt. Dass es ihm Ernst mit dieser Aussage war, durfte ich in dieser Zeit oft miterleben. Ein Beispiel dafür: Die Zeichnung für die Grafik „Manneken Pis“ entstand 1986 im Stadtpark von Lohsa in der Lausitz in zweieinhalb Tagen. Leider können wir sie hier nicht zeigen, weil sie sich im Otto Dix Haus in Gera befindet – aber im Katalog ist sie abgebildet und sie unterscheidet sich von der Grafik nur dadurch, dass sie spiegelverkehrt ist und das Brueghel-Zitat noch fehlt. Mit dem Zeichnen der riesigen Wurzel im Vordergrund hat er begonnen – ganz konzentriert auf das Erfassen der komplizierten Form; Naturstudium im besten Sinne.

„Dann wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus kann reißen, der hat sie.“

Albrecht Dürer

Herausreißen meint in diesem Zusammenhang ZEICHNEN. Und Richter hatte die Kunst! So ist dann nach längerem intensiven Arbeiten (drei, vier, fünf Stunden – ich weiß es nicht mehr so genau ) eine hervorragend durchgearbeitete Studie dieser Wurzel entstanden. Für jeden anderen wäre das ein fertiges gültiges Blatt und als Tagesergebnis genug gewesen. Nicht so für Richter! Mit dem zu zwei Ditteln noch leeren Blatt setzte er seinen Parkspaziergang fort, um sich ca. 100 Meter weiter, mitten im fast mannshohen Brennesselgestrüpp vor zwei mächtigen Eichen erneut zum Zeichnen niederzulassen. Da die Zeit an diesem Tag natürlich nicht mehr zum Fertigstellen der Zeichnung reichte, wurde die Arbeit am nächsten und übernächsten Tag fortgesetzt. Durchaus denkbar, dass ein in dieser Zeit durch den Park flanierender Spaziergänger seine Notdurft im Gestrüpp verrichtet hat, ohne den in den Brennesseln verborgenen Zeichner zu bemerken und so die Idee für die titelgebende Figur auf der Grafik geliefert hat.

Für diese Art konzentrierten Zeichnens hat der von Richter geschätzte westdeutsche Künstler Horst Janssen, der „Millionenstrichler“, eine treffende Benennung gefunden: „Ich bin nur ganz Auge!“ Das ist bei Richter nur bedingt richtig, hat er mir doch z. B. mal gesagt, dass das, was ihm beim Zeichnen so alles durch den Kopf geht und unbewusst in die Grafik einfließt, nur zum geringsten Teil vom Betrachter entschlüsselt werden kann. Gisold Lammel hat Richter in einem seiner Texte ein „ausgeprägtes kunsthistorisches Bewusstsein“ bescheinigt, dadurch ist dann vielleicht aus dem in die Brennesseln pieselnden Zeitgenossen Brueghels „Manneken Pis“ geworden. Aber das ist jetzt natürlich reine Spekulation.


Unbestreitbar ist jedoch, dass wir es nicht seltsam finden, dass Figuren aus Bildern von Dürer, Brueghel, Lorrain und anderen Richters Landschaften bevölkern, oder gar ein Bruchstück eines antiken Säulenkapitells Teil der Ruinen eines im Lausitzer Braunkohlerevier weggebaggerten Dorfes wird („Fragmente“). Natur und Kunstwelt verschmelzen, Raum und Zeit werden in Richters Bildwelt mühelos überbrückt.


Die von mir geschilderte Arbeitsweise, vom strengen Naturstudium zur fertigen Grafik zu gelangen, scheint keinen Raum für Spontaneität und zufällige Entdeckungen zu lassen, aber dafür ermöglichte sie es Richter, bei der sehr geringen für die eigene künstlerische Arbeit zur Verfügung stehenden Zeit, überhaupt so viel Eigenes zu schaffen. Jede Arbeit konnte jederzeit für kürzere oder längere Zeit unterbrochen und zu jedem beliebigen Zeitpunkt fortgesetzt werden, ohne dass irgendwelche Brüche erkennbar sind.

Der „gesteuerte Zufall“

Parallel dazu gab es besonders um 1980 herum noch anders entwickelte Grafiken, Richter hat hier vom „gesteuerten Zufall“ gesprochen. Hier wird die Grafik nicht durch präzise zeichnerische Vorarbeiten entwickelt, wie z.B. bei „Wegzeichen“ und „Unter Bäumen III“, sondern man beginnt zuerst mit der Bearbeitung der Druckplatte, z.B. durch Abklatschen des noch feuchten Abdecklacks, wodurch ein teilweises unkontrolliertes Entfernen des Lackes passiert. Nach dem Ätzen sind druckbare Zufallsspuren auf der Platte, die dann zeichnerisch interpretiert werden können. Auch von den Studenten wurde diese Methode der Bildfindung gern genutzt, meist blieb jedoch sichtbar, was durch Zufall entstanden war und was gezeichnet. Nicht so bei Richter, hier verschmelzen Zufallsstrukturen und bewusst Gezeichnetes zu einer Einheit – alle Arbeiten mit der Technikbezeichnung „Flächen- und Strichätzung“ sind so entstanden. Eine andere Form des „gesteuerten Zufalls“ gibt es in der Technik der Kaltnadelradierung. Zunächst werden Zufallsspuren mit verschiedensten Werkzeugen erzeugt (Zahnarztbohrer, Drahtbürste, Feile...) und diese sind dann Anregung für diszipliniertes Weiterarbeiten. „Acis und Galatea“ im oberen Raum ist ein Beispiel dafür. Oft gibt es bei Richter auf verschiedenen Grafiken wiederkehrende Motive:

  • zerbrochene Wagen
  • Türen und Tore
  • Liebespaare, bzw. Paardarstellungen überhaupt
  • das Motiv der Höhle als Schutz- und Zufluchtsort
  • das Motiv des Fliegens – Ikarus
  • Fensterausblicke in eine andere Welt oder Zeit
  • bestimmte Pflanzen – Pestwurz
  • und natürlich Bäume, Bäume, Bäume…

Bäume, die manchmal gar keine sind, sondern nur kleine Ästchen: „Strandläufer IV u. VI“, oder Schwemmhölzer: „Pablo im Darß“. Verschobene Größenverhältnisse führen zu surrealen Verfremdungen: „Schloßgarten“ und „Wegzeichen“. Es gibt Landschaftsfiguren: „terra mater“ und andere surreale Kombinationen: „Vita I – IV“ und „Hommage à Michelangelo“. Im oberen Raum erwartet Sie auch noch einiges mehr, unmöglich, das hier alles nur aufzuzählen. Wo er nicht überall noch etwas versteckt, dass sich auf der ohnehin schon winzigen Grafik „Zerstörte Dächer“ noch auf einem der Dachböden Dürersche Hunde balgen, ist kaum noch wahrnehmbar.

Angesichts dieser Vielfalt, Disziplin und Strenge im eigenen künstlerischen Arbeiten muss er manchmal durch die studentische Laxheit und Oberflächlichkeit ganz schön gequält worden sein – hat sich das jedoch nie anmerken lassen, blieb immer freundlich und suchte in jeder Studentenarbeit, auch der misslungensten, zunächst etwas Positives. Ich hätte mir manchmal gewünscht, mehr Kritisches von ihm zu hören. Aber Kritik war selten und kam manchmal sogar noch in gestalteter Form daher: z. B. habe ich von ihm im Studentenpraktikum, sicher in der Absicht mir auszutreiben, immer mitten im Motiv zu hocken, ein Leonardo-Zitat, sorgfältig in seiner kunstvollen Handschrift geschrieben und in der Mitte gefaltet, dezent zugesteckt bekommen.

Gerenot Richter, WV II-192 „Ging heut' morgen übers Feld“ (Gustav Mahler 1884), 1983 / 1984, Radierung und Aquatinta, 49 x 64,5 cm

Gerenot Richter und Gustav Mahler

Aber nun genug aus der Werkstatt geplaudert, kommen wir noch einmal auf das dieser Ausstellung den Titel gebende Blatt zurück. Gustav Mahlers Musik liebte Richter besonders, er hatte 1983 sogar die Gelegenheit auf einer Reise nach Wien Originalschauplätze von Mahlers Leben und Wirken zu sehen und zu zeichnen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass er ihm die erste seiner ganz großen Kompositionen widmete – auch bei Mahler sind es ja vor allem die großen Kompositionen, seine Sinfonien, die er schätzte.

Warum ist eigentlich noch niemand auf die Idee gekommen, zu untersuchen, ob es nicht auch Gemeinsamkeiten in der Arbeitsweise von Mahler und Richter gibt?
Fallen da nicht sofort welche auf?

  • die Überfülle künstlerischer Ideen bei beiden
  • das collageartige Verschmelzen verschiedener Elemente (Kinder- und Volksliedzitate in den Sinfonien Mahlers, lautmalerische Teile in den Liedtexten zum fahrenden Gesellen, Kunstzitate bei Richter)
  • häufige Tempowechsel bei Mahler, Vielfalt der grafischen Strukturen bei Richter
  • dichte Struktur und sehr komplexes Ganzes bei beiden usw.

Die erste große Komposition hat Gerenot Richter Gustav Mahler gewidmet, die letzte, schon unter unsäglichen Mühen und Schmerzen entstandene, seiner Frau Ingeborg. Wie anders ist doch dieses Blatt im Vergleich mit den anderen, die hektische Überfülle ist ausgewogener Ruhe gewichen und es ist sicher kein Zufall, dass er hier eine Plastik des großen Menschenbildners Ernst Barlach zitiert. Ein letzter Dank an seine Lebensgefährtin!

Auch ich möchte Ingeborg Richter Dank sagen, manche Leihgaben werden hier erstmalig gezeigt, andere in neue Zusammenhänge gebracht. Mit dem Entschlüsseln der vielen anderen kunsthistorischen Zitate möchte ich Sie jetzt einfach allein lassen. Richters Bilder brauchen auch nicht unbedingt einen Erklärer, selbst wenn man keins der zitierten Bilder kennt und einem die titelgebenden Gleichnisse unbekannt sind, ist es gute Grafik, die Fachleute und Laien gleichermaßen überzeugt. Wer jedoch neugierig geworden ist, dem empfehle ich einen Besuch auf der Website oder/und den Erwerb des opulenten Kataloges zu dieser Ausstellungsreihe. Sammler bekommen auch diesmal wieder die Chance vier verschiedene Kleingrafiken für kleines Geld käuflich zu erwerben.

Vielen Dank für Ihr aufmerksames Zuhören und viel Vergnügen beim Betrachten der Ausstellung.

Anmerkung:

*) Leider mit einem bedauerlichen Nachteil gegenüber allen anderen Ausstellungsorten: Die Öffnungszeiten! Trotz der langen Ausstellungszeit werden die Arbeiten nur insgesamt 36 Stunden für Besucher zugänglich sein. Gut, dass Sie die Gelegenheit gleich bei der Ausstellungseröffnung nutzen!


„Ging heut' morgen übers Feld“ – Hommage und Gleichnis
Ausstellung vom 1. Juli bis bis 28. August 2016
Domgalerie | Domplatz 3 | 15517 Fürstenwalde
Laudatio: Helmut Müller
Musik: Barbara Ehwald (Sopran), Giedre Lutz (Klavier)