Gerenot Richters gleichnishafte Bilddichtungen

Datum: 01.06.1997

in: Lammel, Gisold, Meister des Kupferstichs – Gerenot Richter
Hrsg. von G. Brandler, Edition Schwarz Weiß, Spröda 1997

Prolog

Die Bilderwelt, die er uns hinterlassen hat, enthält vieles: beglückende Blumenstücke, zerfahrene Wege, die in begrenzte Tiefe führen und immer wieder Bäume, lebenstrotzende, versehrte und verendete. Architektur finden wir in ihr, Lobgesänge auf kunstsinnige Baumeister voraufgegangener Zeiten, ruinöses Bauwerk auch als Zeichen der Zeitlichkeit wie des menschlichen Irrsinns. Aus seinen Bildern spricht der besorgte Ethiker, den eine tiefe Liebe zu Natur, Mensch und Kunst erfüllt hat. Sie reflektieren Gedanken über Werden und Vergehen, Endliches und Zeitloses, über die Gefährdung der Natur, der Menschen und ihrer Werke, über die Verantwortung des Einzelnen und der Gesellschaft, über Lebenswillen, Selbstbehauptung und Schöpfertum. Ein grüblerisches Naturell hat sich da offenbart und auf humanistischem Bildungsgrund Bildgedanken aufgetürmt.

Richters Elegien über Verlorenes und Vergehendes verbinden sich zumeist mit Oden an das Leben und die Lebenswerte. Weder ein Elysium noch ein Inferno, wohl aber angetastete und auch von Katastrophen heimgesuchte Lebensräume führte er vor Augen. In seinen Bildern stellte er Vorgänge und Zeichen der Natur in Bezug auf soziale Prozesse und einige grundsätzliche Verhaltensstrukturen dar. Seine Gedanken und Fragen sind ganz in die Bildlichkeit eingegangen. Er hat keine literarisch orientierte Bildlichkeit besessen, wohl aber eine poetische; und seine Leistung als Bilddichter ist zu würdigen.

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