Seine Radierungen, Aquatinten und Kaltnadel-Arbeiten geben poetisches Zeugnis von der Urgewalt der Natur, der Zeitlichkeit alles Lebendigen, der Endlichkeit menschlichen Tuns. Sie erfordern bei ihrer Betrachtung Muße bzw. haben diese zwangsläufig zur Folge. Du kannst dich der verhaltenen Melancholie der Blätter kaum entziehen, gehst in Dich gekehrt, wacher, sinnlich reicher aus dieser stillen Zwiesprache hervor.
Die (in der Ausstellung) gezeigten Kaltnadel-Arbeiten, Aquatinten und Radierungen sind dem Schaffen eines Mannes geschuldet, der in unvergleichlicher Weise leidenschaftlicher Künstler, verlässlicher Mensch, wacher Zeitgenosse, begnadeter Lehrer war. Mehr als 30 Jahre wirkte er am Institut für Kunstpädagogik der Humboldt-Universität … 1969 saß ich als schüchterne Oberschülerin im Eignungsgespräch der künstlerischen Aufnahmeprüfung zum Studium der Kunsterziehung dem seinerzeit schon bekannten Grafiker, Hochschullehrer gegenüber: Er war mir von Beginn an in seiner leisen, feinsinnigen Art sympathisch. Ohne die sensible Einfühlung, die behutsame Nachfrage durch Gerenot Richter, ohne sein wunderbares Lächeln, das Mut machte, hätte ich wohl kein Wort herausgebracht, geschweige denn meine mitgebrachten künstlerischen Übungsblätter zu kommentieren vermocht … Studium, Forschungsstudium, Assistententätigkeit meinerseits in den folgenden Jahren machten uns zu Kollegen. Respekt, menschliche Wärme, Freundschaft – diese Stichworte vor allem charakterisieren meine Beziehung zu Prof. Gerenot Richter …
Unvergessen wird mir ein Gespräch bleiben, das wir – er, der verehrte Professor und ich, die Studentin – auf einer Bahnfahrt unterwegs nach Rügen ins künstlerische Praktikum hatten. Sommer 1974: mein Vater war gerade ein halbes Jahr vorher gestorben, meine Mutter, damals wenig älter als ich heute, blieb ohne den Lebensgefährten zurück. – Auf meine, ihn sichtlich überraschende Frage nach der Liebe, der großen Liebe des Lebens, erzählte er mir von seiner Frau Ingeborg, ihrer ersten Begegnung und dem Leben mit ihr. Wohlwissend um meinen Schmerz, um den Verlust des Vaters, die Sorge um die Mutter und die leise Angst einer 23-Jährigen, der erfüllten Liebe selbst nicht mehr zu begegnen, sprach er aufrichtig, ein wenig befangen, voll Lauterkeit über seine Gefühle … Wer ihn so erlebt hat, wird verstehen, warum ihn seine Studenten nicht nur verehrten, sondern ihm zugeneigt waren.
1990 schrieb er mir zur Antwort auf meinen Neujahrsgruß, eine Farbfotografie, die meinen 10-jährigen Sohn vor einem 100-jährigen Efeu-Baum an der historischen Stadtmauer Templins zeigt: „Eine gelungene Bildidee: Wie erhaben ist doch die Natur und der Mensch, ihre Krönung, ein Teil von ihr.“ Diese für mich letzten Worte Gerenot Richters kennzeichnen treffend die inhaltliche Gerichtetheit, die Grundstimmung, die vielen seiner künstlerischen Arbeiten innewohnt …
Ausstellung in der Werkstattgalerie b.(tont)
und im Café KaD Kadiner Str. 11 und 16 im Februar 1992