Harte Müh und Vernis mou

Datum: 10.01.1992

Zum Gedenken an Prof. Dr. Gerenot Richter


Am 5. Januar jährte sich der Sterbetag des Künstlerischen Professors Gerenot Richter. Am ehemaligen Institut für Kunstpädagogik unserer Universität haben viele Studierende sein eigenwilliges Vorbild in Lehre und Praxis erleben können. Lange Jahre war er ihnen ein Cicerone für die wunderbaren und geheimnisvollen Entdeckungsschritte auf das weite Feld der Künstlerischen Druckgrafik.

Wer die grafischen Lehrräume in der Burgstraße 26 betrat, wurde einfühlsam an den Umgang mit Materialien, Werkzeugen und die Bedienung der Handpressen herangeführt. Professor Richters kundige Demonstration der grafischen Arbeitsprozesse hat dazu ermutigt, die Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks in der Radierung und Lithografie zu erproben. Es war ein bezwingendes Erlebnis, wenn man dem tätigen Künstler Gerenot Richter bei seiner eigenen Druckarbeit zuschauen konnte; das Leuchten in den Oberlichtfenstern in der Burgstraße morgens oder spätabends war sichtbares Zeichen.

Angesichts seiner Kraftanstrengungen beim Kurbeln der Steindruckpresse, seiner hörbaren Mühe beim Bewegen des großen Sternrades schien es geboten, das interessante fachliche Gespräch beim Über-die-Schulter-Schauen nicht unmäßig auszudehnen, denn die Aufforderung zu Leistung und selbstgewählter Pflicht übertrug sich schnell.

Berührt von seiner freundlichen Nähe und angeregten Offenheit, konnte man bei der Betrachtung seiner kostbaren grafischen Blätter zugleich eine Ahnung von den ihn quälenden Veranlassungen und beglückenden Inspirationen für sein künstlerisches Wollen bekommen.

Gerenot Richters Lebenserfahrung und seine Betroffenheit um die bedrohte Menschlichkeit und seine Empfindungen von verletzter Natur ließen ihn in demütiger Anschauung und hintersinniger Betrachtung gedruckte Bilder schaffen, in denen erlebte landschaftliche Erscheinungen mit stigmatisierten Naturformen – oft im Zitat – und poetische Deutungen von ihm verehrter Kunstwerke gleichermaßen aufgehoben sind.

Sein Traditionsbewusstsein mit dem Anspruch tugendhaft-naturalistischer Beharrlichkeit verband er mit dem Glauben, als Lehrender ein exemplarisches Vorbild sein zu müssen. Mit Liebe zu gepflegtem Werkzeug führte er detailfreudig – stetig lupenkontrolliert – die spitze Nadel im Widerstand zur polierten Metallplatte und schuf bestechende Druckwerke.

Wenngleich der Studiengang Kunstpädagogik an die Hochschule der Künste überführt wurde, bleibt unserer Universität die Ausstattung einer Grafischen Werkstatt erhalten. Mit diesen Arbeitsmitteln, welche dem neugegründeten Seminar für Künstlerisch-Ästhetische Praxis überantwortet wurden, bleiben die Möglichkeiten der grafischen Arbeit für die Studentenausbildung bewahrt und eine Weiternutzung im Sinne Gerenot Richters garantiert.

Ruth Tesmar in der Zeitung der Humboldt-Universität von 1992 zum 1. Todestag von Gerenot Richter