Die Sammlung Gerenot und Ingeborg Richter

Datum: 25.11.2001

Von Fremdheit und Nähe


Eine Ausstellung in der Galerie Albstadt vom 25. November 2001 bis 13. Januar 2002

Begonnen hatte alles mit den druckgrafischen Blättern von Hans Otto Schönleber (1889-1930), dem Karlsruher Arzt, der nach Ende des 1. Weltkrieges als Künstler in München und Stuttgart arbeitete.

Das „Studio Bildende Kunst" in Berlin-Lichtenberg präsentierte im August / September 1992 – dem „süddeutschen Grafiker zum Gedächtnis", so der Untertitel der Ausstellung – einen Querschnitt seiner Kupferstiche und Holzschnitte. Im Zuge der Vorbereitung eines neuen Werkverzeichnisses und der Gesamtschau der Druckgrafik H. O. Schönlebers in der Städtischen Galerie Albstadt konnte 1996 / 1997 Verbindung zu der Berliner Institution aufgenommen werden.

Die Mitarbeiter des „Studio Bildende Kunst" standen mit der Tochter des Künstlers, Marianne Schönleber, in Verbindung. Einer von ihnen, Volkhard Böhm, war es auch, der – auf Galerien im Bundesgebiet angesprochen, deren Sammlungsschwerpunkt auf Zeichnung und Druckgrafik liegt – den Kontakt zwischen der in Berlin lebenden Ingeborg Richter, Witwe des in Dresden gebürtigen Künstlers Prof. Dr. Gerenot Richter, und der Städtischen Galerie Albstadt herstellte.

Gelegentlich mehrerer Berlin-Aufenthalte wurde aber nicht allein Hintergrundwissen über Sammler und Künstler im Osten sowie das kleine im Südwesten Deutschlands liegende Kunstmuseum ausgetauscht, konzeptionelle Fragen sowie Bild- und Textinformationen weitergegeben, sondern es wuchs eine intensive Zusammenarbeit in der Sache und eine von gegenseitigem Vertrauen geprägte Verbundenheit zwischen Menschen. Distanz weit voneinander entfernter Orte, Fremdsein von Zeithintergründen und Künstlernamen konnten durch die gemeinsame Nähe zur bildenden Kunst überbrückt, überwunden werden.

Weiterbestand einer umfangreichen Sammlung

Ingeborg Richter befand sich zum damaligen Zeitpunkt auf der Suche nach einer geeigneten Heimstatt für einen Teil der gemeinsam mit ihrem Mann Gerenot Richter zusammengetragenen Sammlung druckgrafischer Blätter von in der DDR arbeitenden Künstlern. Mit der Schenkung Gerenot und Ingeborg Richter geht nun – auf Veranlassung der Witwe des Künstlers, ohne deren Einsatz Ausstellung und Katalog nicht denkbar gewesen wären – im Herbst 2001 ein Komplex dieser Privatkollektion in die Graphische Sammlung der Städtischen Galerie Albstadt über. Die Schenkung umfasst 300 druckgrafische Blätter von über 100 Künstlerinnen und Künstlern der DDR aus der Zeit von 1949 bis 1990, worunter sich auch einige Radierungen des verstorbenen Künstler-Sammlers selbst finden.

Gerenot Richter erhielt im Jahr 1955 einen ersten Lehrauftrag für Malerei und Grafik am Institut für Kunsterziehung der Humboldt-Universität Berlin, promovierte 1957, wurde 1971 zum außerordentlichen Professor und 1979 zum Professor mit künstlerischer Lehr-Tätigkeit für Malerei und Grafik an der Humboldt-Universität berufen. Lebendigen Zugang zur Sammeltätigkeit des Ehepaares Richter und außerordentlich kenntnisreiche Einblicke in die (druck)grafische Kunst der DDR vermittelt Professor Peter H. Feist, von 1982 bis 1990 Direktor des Instituts für Kunstgeschichte an der Akademie der Wissenschaften der DDR, in seinem einführenden Text des vorliegenden Kataloges.

„Für die Sammlung in Albstadt bedeutet die Schenkung vor allem eine Vervollständigung des Sammlungsbestandes einzelner Künstler durch jeweils frühe Werke, aber auch des Gesamtbestandes an DDR-Grafik. [...] Der kundige Betrachter wird Bekanntes finden, seien es nun einzelne Blätter oder Künstlernamen, er wird Neues entdecken und die Vielfalt und den Reichtum des grafischen Schaffens einer Kunstregion erkennen können.“, schließt Volkhard Böhm in sein im Herbst 2001 verfasstes Resümee zur Schenkung Sammlung Gerenot und Ingeborg Richter ein (Typoskript, Berlin 2001).

In der Tat ist in dieser jüngst in die Städtische Galerie überkommene Sammlung mit Werken von Hubertus Giebe, Dieter Goltzsche, Hans Theo Richter, Max Uhlig, Claus Weidensdorfer, Werner Wittig und anderer die Dresdener Kunst gut vertreten, der Tradition – von Otto Dix bis hin zu jungen Dresdener Künstlerinnen und Künstlern – seit Bestehen des Hauses verpflichtet. Darüber hinaus finden mit der Schenkung Richter besonders zahlreich Arbeiten aus dem Ost-Berliner Umkreis, der Leipziger Schule und anderer internationaler Künstler Eingang in die Städtische Galerie und bieten damit Neuland für vielfältige Entdeckungen im Bereich druckgrafischen Arbeitens im Osten.


Der Artikel von Clemens Ottnad wurde entnommen aus dem Katalog zur Ausstellung „Sammlung Gerenot und Ingeborg Richter“, Veröffentlichungen der Galerie Albstadt Städtische Kunstsammlungen Nr. 142 / 2001, ISBN 3-934439-14-4

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