Kahle Wände, löchrige Fliesen, dicke Rohre und Eisentreppen. Der Eingang zum Turbinensaal ist düster und leer. Doch hinten lockt ein Licht. Und wer sich dorthin begibt, wird eine schöne Überraschung erleben. Gleich um die Ecke stehen nicht nur mächtige Turbinen. Zwischen ihnen hängt ein überlebensgroßes, gemaltes Bild von einem Arbeiter. Ein Foto von einem anderen Mann mit kohlegeschwärztem Gesicht füllt ein Fenster aus. Und eine Frau mit Helm und Latzhose ist auch in einem Fenster zu sehen.
Die Brikettfabrik in Knappenrode bei Hoyerswerda macht wieder von sich reden. Vor 100 Jahren hat sie ihre Produktion aufgenommen, 1993 wurde sie stillgelegt. Nun zeigt sie Menschen, die im Bergbau gearbeitet haben, und erzählt Geschichten. „Kunst und Kohle“ heißt die Ausstellung über die Arbeit und den Bergbau in der DDR-Kunst. Mehr als 130 Werke von über 50 Künstlern werden gezeigt. Die gehen eine faszinierende Verbindung mit der alten Technik in dem hohen Backsteinbau ein.
An einem Schaltschrank vorbei führt eine Steintreppe in einen klassischen Ausstellungsraum mit weißen Wänden. Porträts werden gezeigt, aber nicht das typische Propagandabild von einem Arbeiter mit erhobener Faust, sondern Menschen, die stolz sind auf ihre Arbeit, auch kritisch, müde, mit leerem Blick nach der Schicht.
Genauso sind Frauen als Bandwärterin und Fördermaschinistin zu sehen. Die sind bei den Berufen zwar gleichberechtigt, haben aber offenbar wenig Zeit für ihre Kinder. Berührend ist „Eine alltägliche Geschichte“, die Christoph Wetzel 1988 gemalt hat.
Die Arbeiterin wendet sich ihren beiden Mädchen zu, kämmt einem die Haare, aber beide haben einen ernsten Blick, der nicht auf eine glückliche Kindheit schließen lässt. Dass die Gleichberechtigung nicht immer gut funktioniert hat, zeigt ein Foto von Jürgen Matschie aus Bautzen. Der hat 1985 zwei Frauen mit Helm in einem Pausenraum festgehalten. Zumindest bei der Gestaltung hatten die Männer das Sagen. Davon zeugen die Bilder an der Wand: haufenweise nackte Frauen. Dem Verschwinden von Dörfern widmet sich Michael Kruscha aus Hoyerswerda, der jetzt in Berlin lebt. Auf einer Malerei von Gerenot Richter ist die Brikettfabrik Knappenrode zu sehen, auf einer Grafik von Fritz Tröger die Brikettfabrik in Laubusch.
Ein Propagandafoto taucht dann doch noch auf, eins zum Schmunzeln. Thomas Billhardt hat 1979 eine Brigade bei der „Zeitungsschau“ festgehalten. Ein paar Männer mit Helm halten die Blätter, andere stehen drumherum. An der Wand hängt ein Bild von Erich Honecker, daneben der Slogan „Qualität + Effektivität = Kurs DDR 30“. Ein anderes Foto von ihm von einer Brigade in Bitterfeld wirkt da schon natürlicher. Ironisch dürfte der Titel „Ehrlich arbeiten“ auf einer Malerei von Carl Kuhn gemeint sein. Eine Gruppe von Männern steht auf einer Baustelle zusammen und diskutiert. Einer zündet sich eine Zigarette an. Ein anderer hat die Hand in der Hosentasche. Der einzig scheinbar arbeitende Mann an der Seite steigt gerade aus seinem Baufahrzeug.
Text: Silvia Stengel
in: Sächsische Zeitung, 29.05.2018 (Online-Ausgabe)
Energiefabrik Knappenrode | Sächsisches Industriemuseum
Ernst-Thälmann-Straße 8, 02977 Hoyerswerda
www.energiefabrik-knappenrode.de
Die Ausstellung „Kunst und Kohle“ widmet sich nicht nur der Lausitz, sondern auch anderen Bergbauregionen. Es ist eine spannende Schau, in der alles gut vertreten ist, Abstraktes genauso wie Realistisches, Landschaftsbilder und Porträts, Stillleben und ein Film. Vier Kurzfilme kommen noch dazu. Die sollen zusätzlich im Turbinensaal gezeigt werden. Die Ausstellung gestaltete Paul Kaiser, Direktor des Dresdner Instituts für Kulturstudien. Die Werke stammen aus Museen wie dem Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst in Cottbus, Sammlungen oder Depots wie dem Kunstarchiv Beeskow. Museumsleiterin Kirstin Zinke freut sich über die Resonanz. Zurzeit finden zwar nicht viele in die Energiefabrik, weil Umleitungen den Weg dorthin erschweren. Aber wer kommt, ist oft sehr angetan.
Bis zum Herbst 2018 ist noch Gelegenheit, dann macht die Energiefabrik erst einmal dicht. Der Kreis Bautzen und die Stadt Hoyerswerda erschließen den Standort neu, so drückt es die Leiterin aus. „Siedlung und Werk rücken wieder zusammen.“ Durch die Stilllegung 1993 haben sie sich voneinander entfernt. Der Zaun rund um die Energiefabrik verschwindet. Für die freien Flächen zwischen Siedlung und Werk gebe es schon Anfragen von jungen Familien, die genau dort bauen wollen, sagt Kirstin Zinke.
Für das Museum entstehen eine neue Dauerausstellung und ein neuer Eingangsbereich. Und es wird ein Zentraldepot eingerichtet. Das Museum hat eine „schöne Sammlung“, schwärmt die Leiterin, vom historischen Schaufelradbagger bis zum Bergmann aus Meissner Porzellan. Außerdem werden die Werkstätten erneuert, die bräuchten sie, um ihre Maschinen und Anlagen zu pflegen. „Wir haben auch Hublader und müssen Lasten bewegen“, sagt Kirstin Zinke. Und sie wollen in den Außenanlagen zeigen, wie die Kohle aus dem Tagebau in die Fabrik gekommen ist, technische Geräte zusammenfassen und neu ordnen, sagt die Leiterin. So könnten die Besucher künftig wie auf einer Promenade den Weg der Kohle nachvollziehen. Dafür gibt es Fördermittel.
2020 will die Energiefabrik wieder öffnen, dann soll zumindest der Museumsbereich konzentriert und barrierefrei sein. Bis dahin zieht auch die Verwaltung um. Im freiwerdenden Gebäude könnten Übernachtungsplätze für Radfahrer entstehen. Es gibt auch immer Touristen, die im Lausitzer Seenland unterwegs sind und nach Stellplätzen für ihre Wohnmobile fragen, berichtet die Leiterin. Noch ist vieles offen und es wird auch mit den Einwohnern von Knappenrode diskutiert.