„… und die Erde wird lange feststeh‘n und aufblüh‘n im Lenz.“

Datum: 02.08.1988
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Zwölf Kaltnadelradierungen

In Vorbereitung der Ausstellung „Gerenot Richter – Grafik“ in der Galerie a in Berlin (1989) wurden die folgenden zwölf Kaltnadelradierungen unter dem Titel „... und die Erde wird lange feststeh‘n und aufblüh‘n im Lenz.“ auch als Kassette von Manfred Schmidt herausgegeben.

Folge „… und die Erde wird lange feststeh‘n und aufblüh‘n im Lenz.“
II-286 Alter Obstgarten
II-287 Waldsaum
II-288 Üppiger Wuchs
II-289 Torsi im Stadtpark
II-291 Villa im Bärenklau
II-292 Bergstraße
II-293 Parkwege
II-294 Parkmauer
II-295 Tümpel
II-296 Schloßpark
II-297 Verlassenes Gehöft
II-300 Bäume am Feldrand

Einzelne Werke aus dieser Reihe befinden sich in folgenden Sammlungen:

  • Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
  • Kulturstiftung Meiningen-Eisenach
  • Kunstsammlung Gera
  • Kunstsammlung Lausitz – Senftenberg
  • Staatliche Bücher- und Kupferstichsammlung Greiz

Ein jeweils vollständiges Exemplar der Kassette befindet sich in folgenden Sammlungen:

  • Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
  • Kunstsammlung Lausitz – Senftenberg
WV II-286 Alter Obstgarten, 1988,
Kaltnadel, 15,5 x 22,5 cm
WV II-287 Waldsaum, 1988,
Kaltnadel, 15 x 21 cm
WV II-288 Üppiger Wuchs, 1988,
Kaltnadel, 16 x 21,5 cm
WV II-289 Torsi im Stadtpark, 1988,
Kaltnadel, 16 x 21,5 cm
WV II-291 Villa im Bärenklau, 1988,
Kaltnadel, 16 x 22 cm
WV II-292 Bergstraße, 1988,
Kaltnadel, 17 x 21,5 cm
WV II-293 Parkwege, 1988,
Kaltnadel, 17 x 21,5 cm
WV II-294 Parkmauer, 1988,
Kaltnadel, 14,5 x 22 cm
WV II-295 Tümpel, 1988,
Kaltnadel, 16,5 x 21,5 cm
WV II-296 Schloßpark, 1988,
Kaltnadel, 16 x 21 cm
WV II-297 Verlassenes Gehöft, 1988,
Kaltnadel, 15,5 x 22,5 cm
WV II-300 Bäume am Feldrand, 1988,
Kaltnadel, 16 x 22 cm

Todesahnung und Lebensbejahung – die letzten Arbeiten

Auszüge aus einem Text von Gisold Lammel

Neben den Ätzradierungen und Aquatinten hat Richter immer auch Kaltnadelradierungen geschaffen, die er als erholsame Zwischenstücke angesehen hat, weil sie ihm nicht das hohe Maß an Anspannung abverlangten wie die Arbeiten auf dem Ätzgrund. Bei ihnen versuchte er, den Charakter von Zeichnungen weitgehend zu erhalten. Mit ihnen schritt er Gestaltungsmöglichkeiten aus und bereitete den Boden für Künftiges. In der letzten Schaffenszeit, in der er sich verstärkt der Kaltnadeltechnik widmete, trat das besonders deutlich zutage, und zwar in den Lausitzer Landschaften, die 1987 als Kassette mit dem Titel Alles verfault, was ohne Wurzel ist (Jewgeni Jewtuschenko) erschienen, und in der Folge ... und die Erde wird lange feststeh’n und aufblüh’n im Lenz, die im Jahr darauf als Mappenwerk von Manfred Schmidt herausgegeben wurde.

Zum einen erzielte er dort eine lockere Strichführung, zum anderen schwächte er seine Neigung zu Formenfülle und Detailreichtum ab. Besonders in der letztgenannten Reihe von Kaltnadelradierungen ist er zu einer Nadelführung gelangt, die sich auflöst. Er erreichte dort ohne mechanische Muster, also ohne Verwendung von Roulette und Moulette, feinste Grauwerte. Mit unzähligen Strichelchen verlieh er Linien erstaunliche Weichheit und Transparenz, so dass diese Blätter sehr an Bleistift- und Kreidezeichnungen erinnern.

Diese 1988 entstandene Folge enthält keine Staffage und mythologische Sinngebung. Die zwölf querformatigen Bilder geben Landschaftsausschnitte aus verschiedenen heimatlichen Gefilden wieder: Parks und Wälder, dörfliche Gegenden und entlegene Wege. Dabei bezog er sich auf Zeichnungen von 1979 und meistenteils der achtziger Jahre. Allenthalben sind Erkundungen in der Bildgestaltung wahrzunehmen.

Die Wiedergabe einer durchsonnten Parklandschaft auf dem Blatt Parkwege lässt an impressionistisclıe Auffassungen denken, und die Komposition Alter Obstgarten führt einen ungewöhnlich schnellen Bewegungsrhythmus der Linien vor Augen, dort züngeln Gehölzformen empor, durch hartes Helldunkel gesteigert und dann schließlich durch den unberührten Himmelsstreifen aufgehalten. Es fällt bei der Betrachtung dieser Blätter auf, dass Richter mehr als zuvor Leerflächen in die Bildrechnung einbezogen hat. Besonders deutlich ist das bei den Bäumen am Feldrand wahrzunehmen, wo zwei Drittel des Vordergrunds unangetastet geblieben sind, oder beim Schlossgarten, wo ein weiter Himmel sowie große Teile der Schloßwiese das unbedruckte Papier zeigen.

Auch großzügige Formenzusammenfassungen tauchen auf, so auf der Radierung Üppiger Wuchs, auf der das Pestwurzblättermeer gegen ein verlassenes Gehöft brandet, oder auf der schon erwähnten Darstellung des Schlossgartens, auf der Bäume und Sträucher zu Dunkelzonen zusammengezogen sind. Als Einmaligkeit ist in diesem Zusammenhang zu vermerken, dass er auf einer Radierung, und zwar auf der Platte Bäume am Feldrand, das Vollendungsdatum der Arbeit wiedergegeben hat. Allerdings sind die Zahlen (18.X.88) im angedeuteten Rasen des Vordergrundes kaum erkennbar.

Mit dieser letzten Folge von Grafiken erwies er Mahlers Lied von der Erde seine Reverenz. War der Komponist in seinem letzten großen Werk angesichts des Todes auf das Leben eingegangen, so kreisten nun Richters Gedanken erneut um Fragen nach sinnerfülltem Leben.