WV II-047 Erinnerung an L.,

1975
WV II-047 Erinnerung an L.
29 x 41 cm
Kaltnadel
vgl. Handzeichnung III-026 Livre pour orchestré (Witold Lutosławski), 1969, 30 x 42 cm Skribent, Feder schwarz
A: 20, 6, 4, 7 sepia
Sammlung: Nachlass-Archiv
Einzelausstellungen: 1979: Berlin – Kommode, 1982: Brandenburg – Galerie in der Steinstraße, 1982: Luckenwalde – Galerie im Zentrum, 2006: Joachimsthal – Kommunität Grimnitz, 2016: Fürstenwalde – Domgalerie

Horst-Jörg Ludwig

Diese Erinnerung an L. erscheint wie eine Erinnerung an den deutschen Expressionismus. Prof. Dr. Gerenot Richter weiß Gestaltungsmittel dieser großen Zeit deutscher Grafik einzusetzen, jedoch ohne den Eigensinn des nur Nachvollziehenden, des aus Vorliebe oder zumindest Neigung der Handschrift expressionistischer Künstler folgenden Nachkommen.

Der goldene Schnitt des Kompositionsprinzips soll offensichtlich der Bildzuordnung und der Ordnung jener gleichsam messerscharf parallel gezogenen Strichlagen dienen, die, einander kreuzend, der Radierung aus dem Jahr 1975 Idyllik und Beschaulichkeit verwehren.

Es herrscht ein merkwürdiges Verhältnis von Lichtführung und Plastizität, Schattenschlag; Spiegelung, Beleuchtung insgesamt blieben nicht unbeachtet, sind aber als Flächenwerte betont eingesetzt worden. Die Spannung von Illusionierung und grafischem Impetus, Darstellung und zeichnerischer Eigenwilligkeit wirkt fast zu groß; Verzerrung und Manier unleugbar.

Bei einer so gearteten Betrachtung jener „Erinnerung“ wird notgedrungen das subjektive Bewusstsein nicht reproduziert werden können, dem die furiose sich in Helligkeit und Formkontrastierung äußernde Gestaltung einer Reminiszenz entsprang. Manches an dieser Radierung wirkt dekorativ im Wortsinn, schmückend als grafischer Reiz. Das Expressive endet an dieser Stelle zugunsten der Brillanz. Geschickt und gestaltungssicher ist der obere Bildrand nahe an die Baumgruppe herangeführt; Gerenot Richter erzeugt durch diesen Kunstgriff eine wirkungsvolle Unterbrechung der Horizontale. Es lohnt, solcher Finessen innezuwerden, um die geübte Hand zu erkennen, die einer Erinnerung so schwungvolle Form verlieh.

in: Berliner Zeitung vom 20./21. November 1976


Ingeborg Richter

Erinnerung an L. hatte Gerenot zu einem Wettbewerb der Berliner Zeitung eingereicht, bei dem die Leser die Auswahl für den Preis mitstimmen konnten. Siegerin wurde die Gebrauchsgrafikerin, Buchgestalterin und Illustratorin Renate Herfurth (1943-2009) mit der Farb-Lithografie „Fast zu ernst“. Gerenot belegte nach Anzahl der Zuschriften mit seiner Arbeit den 2. Platz. Der dritte Platz ging an Karlheinz Effenberger (1928-2009) mit der Aquatinta-Radierung „Schwerin“.